Neue Energie: Enquete-Kommission fordert Kohle-Ausstieg

Die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ des Berliner Abgeordnetenhauses hat im Februar 2015 den einstimmig beschlossenen Zwischenbericht vorgelegt. Darin wird u.a. ein zügiger Ausstieg aus der Braunkohle-Förderung im Land Brandenburg und die nachhaltige Ausrichtung der Berliner Energiepolitik gefordert. Der Abschlussbericht der Enquete-Kommission soll im Oktober 2015 fertig gestellt sein.

In seiner Parlamentsrede hat der umwelt- und energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion Daniel Buchholz am 19.02.2015 in der Plenardebatte des Berliner Abgeordnetenhauses die Ergebnisse vorgestellt und Schlussfolgerungen für eine nachhaltige Energiepolitik gezogen.

Den vollständigen Zwischenbericht finden Sie hier zum Download:
Zwischenbericht Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ 02-2015

Das Video seiner Rede können Sie hier ansehen:

…und hier nachlesen:

„Vielen Dank, Frau Präsidentin! Das höre ich sehr gern, dass heute nicht so streng geschaut wird

– Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Ich will mit einer Danksagung anfangen und zwar tatsächlich an die Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen. Es sind elf in der Enquete-Kommission. Ich finde, wir haben uns ein ganzes Stück sehr erfolgreich zusammengerauft.

Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir haben es geschafft, einstimmig mit den Expertinnen und Experten, mit den Sachverständigen zusammen einen Zwischenbericht zu verabschieden, der tatsächlich mit den Stimmen aller Kommissionsmitglieder beschlossen wurde. Das ist eine besondere Leistung. Und ich glaube, daran hat auch der Vorsitzende – wenn ich das mal sagen darf – einen nicht nur geringen Anteil, weil er nämlich sehr fair und überparteilich die Sitzungen führt. Mein Dank an ihn und alle, die daran bisher mitgewirkt haben. Vielen Dank!

Damit komme ich gleich zu den Inhalten, denn auch auslegungsfähige fünf Minuten sind relativ kurz für so eine große Aufgabe, die vor uns steht. – Wir emittieren momentan als Land Berlin pro Jahr 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid. 25 Millionen Tonnen, die wir nach unserem eigenen Anspruch um 85 Prozent reduzieren wollen auf 4 Millionen Tonnen pro Jahr. Das ist nicht nur eine kleine Aufgabe, nicht nur eine große Aufgabe, sondern eine echte Herkulesaufgabe, der wir uns stellen müssen. Und das gilt dann eben nicht nur für den Umweltsenator, das gilt genauso für die Wirtschaftssenatorin und den Finanzsenator – für alle im Senat, für uns als Abgeordnetenhaus, dass wir dafür wichtige Zwischenschritte definieren müssen.

Darum haben wir – darauf bin ich persönlich sehr stolz –in den Zwischenbericht aufgenommen und das als expliziten Auftrag an das Abgeordnetenhaus wie auch an den Senat verabschiedet: Wir wollen und brauchen ein Berliner Energiewendegesetz. Und wir wissen, es gibt schon länger einen Entwurf; den hatte schon damals Michael Müller als Umweltsenator in der Schublade, der ist verabschiedungsfähig. Herr Geisel hat ihn jetzt auch in seiner Schublade, auch der kann schnell verabschiedet werden.

Darum meine dringende Bitte, mein Appell: Wir haben festgestellt, es geht darum, unsere Klimaziele als Land Berlin, so wie es uns andere Bundesländer vorgemacht haben, in einem Rahmengesetz vernünftig zu verankern, um dann legislaturperiodenübergreifend und in einem dialogorientierten Politikansatz aufzuzeigen, wie wir in den Zwischenschritten 2020, 2030, 2040, 2050 diese 85 Prozent  Reduzierung beim CO2-Ausstoß erreichen können. Das ist nicht nur eine Aufgabe, die wir uns als Land Berlin setzen müssen. Das ist unser Beitrag zu Klimagerechtigkeit auf dieser Welt. Und ich bitte alle im Abgeordnetenhaus, im Senat, sich über diese Verantwortung klarzuwerden und der Bitte und dem Beschluss der Enquete-Kommission zu folgen, in dieser Legislaturperiode noch ein Energiewendegesetz zu verabschieden. –Jetzt könnten eigentlich auch mal ein, zwei klatschen, aber –

[Beifall bei der SPD]

Doch, es erbarmt sich jemand; das ist nett. Jetzt sind Sie aufgewacht, danke schön! Manchmal muss man ja animieren; es hilft ja mitunter, wie man sieht.

Vielleicht hilft ja bei dem einen oder anderen auch, nicht bloß die abstrakten Umweltzahlen, Kohlendioxidausstoß, zu nennen. Das Land Berlin gibt im Jahr, wenn man alles zusammennimmt, die öffentliche Hand, die Wirtschaft und die Haushalte in der Stadt, für den Einkauf von fossilen Energieträgern 3,2 Milliarden Euro aus – jedes Jahr; wir alle zusammen, mit allem, was wir verbrauchen an Energie, allein für die fossilen Energieträger. Und das heißt, es ist auch eine gewaltige Aufgabe, die wir wirtschaftspolitisch vernünftig betrachten müssen, die diesen Rahmen aufzeigt, dass wir als Land Berlin nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen genauso wie aus sozialen, weil wir die Energierechnung bezahlbar halten müssen, handeln müssen. Das schaffen wir am besten, indem wir Energie gar nicht verbrauchen, indem wir Energieeffizienz voranbringen und indem wir dafür sorgen, dass die Energierechnung, die wir vor allem für fossile Energieträger an viele andere Länder auf der Erde überweisen, nicht für Rohstoffe, die in unserem Land gezogen wurden, dass wir diese Ausgaben reduzieren sollten.

Damit komme ich zu einem zweiten Punkt, auf den ich in der Kürze der Zeit eingehen möchte, das ist die Kohle-verstromung. Wir haben in Berlin noch einige Kraftwerke, die mit Braunkohle und mit Steinkohle betrieben werden. Es ist gut, dass die Firma Vattenfall sich in der Klimaschutzvereinbarung mit dem Land Berlin selbst verpflichtet hat, bis zum Jahr 2020 zwei abzuschalten. Und wir werden diese Klimaschutzvereinbarung aktiv einfordern. Wir sollten das als Parlament tun. Da geht es auch darum, dass die Firma Vattenfall Investitionen zugesagt hat, eigentlich für das ehemalige oder noch betriebene Kraftwerk Klingenberg, nicht nur eine Umrüstung auf eine Gas- und Dampfanlage, sondern eigentlich auf ein Biomassekraftwerk. Davon weicht die Firma Vattenfall jetzt schon ab, erste Feststel-lung. Und die zweite ist: Die Firma Vattenfall hat dem Land Berlin in einer Klimaschutzvereinbarung Investitionen bis zum Jahr 2020 von 1 Milliarde Euro zugesagt. Wir wollen, wir müssen diese Investitionen aktiv einfordern, sonst wird die Firma Vattenfall, die so im Umbruch ist, sie nicht in Berlin investieren, sondern irgendwo anders.

[Beifall bei der SPD]

Der Finanzsenator nickt und sagt, wir fordern sie ein. Es freut mich sehr, dass wir die Unterstützung auch aus dem Senat haben.

Natürlich müssen wir die Verantwortung auch wahrnehmen, dass wir in Berlin die Energieträger umstellen, wegkommen von der Kohle. Das Ausstiegsszenario ist beschrieben: 2020 der erste Zwischenschritt, 2030 dann die Beendigung der Verfeuerung von Kohle im Land Berlin. Und dann haben wir auch das Recht, mit den Partnerinnen und Partnern in Brandenburg zu sprechen, und mit unseren Freundinnen und Freunden dort ernsthaft zu diskutieren: Wie können wir eine gemeinsame Energiestrategie voranbringen, damit auch der Braunkohleabbau in der Lausitz, in anderen Gebieten Brandenburgs beendet wird. Es muss ein Ausstiegsszenario geben, denn es ist eine Brücken-technologie. Das sagen wir alle, alle fünf Fraktionen. Auch das ist ein einstimmiger Beschluss der Enquete-Kommission, dass wir aussteigen müssen.  Denn wir haben, wenn wir die Klimaziele der Bundesrepublik Deutschland ernst nehmen, wenn wir unsere internationale Verantwortung wirklich ernst nehmen, keine andere Wahl, als diesen Ausstieg zu gestalten. Er muss natürlich sozial abgefedert werden, das ist klar. wenn wir über 10000, 12000 Arbeitsplätze reden, die in Brandenburg betroffen sind. Aber das können wir gemeinschaftlich hinbekommen.

Natürlich werden wir dann auch mit Brandenburg noch einmal sehr ernsthaft bei der Landesplanungskonferenz darüber reden müssen – das haben wir als Parlament auch schon verabschiedet –, dass es nicht sein kann, dass jetzt noch neue Braunkohletagebaue in Brandenburg eröffnet werden sollen, neu erschlossen werden sollen. Das wäre eine Sicherung dafür, dass der Braunkohleabbau noch über Jahrzehnte weiterläuft, denn sonst rechnet sich das nicht. Und wir sehen: Vattenfall wie viele andere Energiefirmen in Deutschland ist wahnsinnig im Umbruch. Niemand weiß, wer in Zukunft diese Firma steuern wird. Niemand weiß, wer der Eigentümer der Braunkohletagebaue werden wird. Vattenfall will den Braunkohletagebau verkaufen, den kriegen sie alleine gar nicht weg; sie müssen jetzt schon die Thüringer Wasserkraft noch dazugeben, damit überhaupt jemand das Zeugs alles kauft. Das ist eine schwierige Aufgabe, die politisch anzugehen ist. Aber wir müssen sie angehen, um die Klimaziele zu vereinbaren. Und wir müssen als Land Berlin mit unsern Partnern in Brandenburg ernsthaft besprechen, wie wir diesen Ausstieg vernünftig gestalten können – hin zu erneuerbaren Energien, hin zu Energieeffizienz, hin zum Energiesparen, damit wir der ganz großen Aufgabe, unsern Beitrag zu leisten – ich sage es noch mal wie am Anfang –, von 25 Millionen Tonnen CO2 – Ausstoß im Land  Berlin auf 4 Millionen Tonnen im Jahr 2050 zu kommen. Da bitte ich um Ihre Unterstützung und hoffe sehr, dass wir auch bei dem Endbericht der Enquete – Kommission auf einen gemeinsamen, parteiübergreifen- den Nenner dazu kommen.

– Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“


 

Was ist eine Enquetekommission – und welche Aufgaben hat sie?

Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat in seiner 47. Sitzung der 17. Wahlperiode am 08. Mai 2014 gemäß § 24 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin – Zukunft der energiewirtschaftlichen Strukturen“ eingesetzt.

Aufgabe der Kommission ist es, ausgehend von den energiewirtschaftlichen Zielsetzungen des Landes Berlin, die Zukunft der energiewirtschaftlichen Strukturen im Land vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen, wie z.B. der Energiewende, zu untersuchen.

Insbesondere soll untersucht werden, welche wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen auf die wichtigsten Einrichtungen (z.B. Stromnetz, Gasnetz, Fernwärmenetz sowie die zentralen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen) zukommen und wie die öffentlichen und privaten Strom- und Wärmenutzer in Bezug auf Einsparungen beim Verbrauch und Erhöhung der Energieeffizienz unterstützt werden können.

Dabei soll auch geklärt werden, ob eigene kommunalwirtschaftliche Aktivitäten des Landes Berlin zur Erreichung der energiepolitischen Ziele sinnvoll und notwendig sind, ob Kooperationsstrukturen mit anderen Akteuren anzustreben sind und mit welchen Instrumenten andere private energiewirtschaftliche Akteure in eine energiepolitische Strategie des Landes Berlin eingebunden und private Investitionen in die Energiewirtschaft mobilisiert werden können.

Der Untersuchungsauftrag im Einzelnen kann dem Einsetzungsbeschluss (siehe Verknüpfung auf der rechten Seite) entnommen werden. Das Abgeordnetenhaus hat damit die 1. Enquete-Kommission in dieser Legislaturperiode eingesetzt.

Die Enquete-Kommission ist am 21. Mai 2014 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten.
Das Ergebnis ihrer Arbeit wird die Enquete-Kommission dem Plenum des Abgeordnetenhauses in Form eines Berichts vorlegen.