Das Berliner Abgeordnetenhaus hat am 2.9.2021 eine wichtige Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen. Damit wird die Umwandlung des bisher ausschließlich industriell genutzten Siemens-Areals hin zu einem Zukunfts-Quartier Siemensstadt und Innovations-Campus mit vielfältigen Nutzungen möglich. 2.700 Wohnungen, Grünanlagen, Gewerbe, Industrie, Forschung und soziale Infrastruktur wie Schulen und Kitas werden in der sog. Siemensstadt² entstehen. Der Spandauer SPD-Abgeordnete und Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz hat die Entscheidung im Stadtentwicklungsausschuss mit vorbereitet und freut sich über die Weichenstellung für einen Berliner Zukunftsort mit internationaler Strahlkraft.
Daniel Buchholz: „Endlich: In der Siemensstadt kann ein Berliner Zukunftsort mit internationaler Strahlkraft entstehen! Nach intensiven Abstimmungen und ausführlicher Bürgerbeteiligung hat das Berliner Abgeordnetenhaus am 2.9.2021 die wichtige Änderung des Berliner Flächennutzungsplans (FNP) beschlossen. Das Areal der Siemensstadt² wird von einem mehr als 100 Jahre abgeschotteten Industrie- und Produktionsgelände der Firmen Siemens und Siemens Energy zu einem neuen offenen Stadtquartier umgestaltet. Über diesen Fortschritt, der auch neue Perspektiven für die angrenzenden Stadtteile Haselhorst und Siemensstadt eröffnet, freue ich mich sehr.
Die FNP-Änderung dient dem gesamtstädtischen Planungsziel, den Industriestandort Siemensstadt mit gutem ÖPNV-Anschluss zu einem Zukunftsort mit weit über die Stadt reichender Ausstrahlung weiterzuentwickeln. Der FNP ist die wichtigste Planungsgrundlage für die Nutzung von Flächen auf dem Berliner Stadtgebiet. Für die Siemensstadt² bedeutet das die teilweise Umwidmung von industriellen bzw. gewerblichen Flächen zu Wohnbauflächen an der Paulsternstraße und Flächen für gemischte Nutzung (Wohnen, Gewerbe, Forschung, Schulen, Kitas etc.) auf einem großen Teil des Gebiets.
Wichtig für uns als Parlamentarier:innen waren zwei Voraussetzungen vor einem Beschluss zur Änderung des FNP. Am 5. August 2021 wurde ein städtebaulicher Rahmenvertrag zwischen Siemens und dem Land Berlin unterzeichnet. Der Vertrag legt die Grundlagen für alle weiteren Planungen und Entwicklungen des Gesamtareals. Er ist detaillierter als der FNP und fasst neben den städtebaulichen Komponenten auch die freiraum- sowie verkehrsplanerischen Ziele und Qualitäten des neu entstehenden Stadtteils zusammen. Dabei soll durch eine enge Verknüpfung von Wissenschaft und Forschung mit Produktion und Gewerbe sowie einem hohen Anteil an Wohnen und sozialen Einrichtungen, das ehemals vollständig für industrielle Produktion genutzte 76 h große Areal ganzheitlich und schrittweise bis 2035 zu einem neuen Stadtquartier entwickelt werden.
Wichtige Inhalte des Rahmenvertrags sind u.a. der Bau von 2.700 Wohnungen, der Ausbau der sozialen Infrastruktur (u.a. eine Grundschule und zwei Kitas), hohe Klima- und Nachhaltigkeitsziele, neue Park- und Grünflächen, Erdgeschoss-Zonen mit öffentlich zugänglicher Nutzung mit Einzelhandel, Gastronomie, Kultur und sozialer Infrastruktur, die Entwicklung eines nachhaltigen und innovativen Mobilitätkonzepts für die Siemensstadt², der Wiederaufbau der Siemensbahn bis 2029 und die unentgeltliche Übertragung von Flächen an das Land Berlin für die zukünftig öffentlichen Straßen, Plätze und Freiflächen.
Zweite wichtige Voraussetzung: Der Senat hat am 24. August 2021 eine Vorkaufsrechtsverordnung für große Teile des Areals beschlossen (Geltungsbereichs des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans 5-123). Das Vorkaufsrecht sichert dem Land Berlin den Zugriff auf Grundstücke, die ggf. verkauft werden sollen. In der Vergangenheit hat Berlin leider negative Erfahrungen nach der planungsrechtlichen Aufwertung von Flächen gemacht. Baurecht wurde mit hohen Gewinnen weiterverkauft, Investitionen erfolgten verspätet oder gar nicht. Da Wohnungsbauflächen einen vielfach höheren Wert als Gewerbeflächen haben, kann Berlin jetzt einen vorgesehenen Verkauf verhindern und selbst in den Vertrag eintreten. Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, die eigentlich Standard sein sollte. Die Anwendung des Vorkaufsrechts durch das Land Berlin muss im begründeten Interesse des Gemeinwohls sein.
Für mich ist insbesondere wichtig, dass die ca. 2.700 Wohnungen unter Anwendung des Berliner Modells (mind. 30% mietpreisreguliert) entstehen sollen, Industriearbeitsplätze und Forschung auf dem Gelände erhalten bleiben und das Gebiet für die Allgemeinheit geöffnet wird. Das unterscheidet die Siemensstadt² deutlich von anderen neuen Stadtquartieren in Berlin. Klar ist zudem, dass über 5.000 neue Bewohner:innen und vermutlich ebenso viele neue Arbeitsplätze insbesondere für den Verkehr eine massive Herausforderung bedeuten. Der zügige Wiederaufbau der Siemensbahn ist deshalb genauso notwendig wie eine Verstärkung des U-Bahnverkehrs auf der U7 und zusätzliche Angebote wie Straßenbahnen und saubere Elektro-Express-Busse.
Für die Bewohner:innen der Bestandskieze in Haselhorst und Siemensstadt hat das Projekt zudem tiefgreifende Auswirkungen. Neben den positiven Effekten wie neuen Wohnungen und Arbeitsplätzen, der Vernetzung der beiden Ortsteile über die Siemensstadt² und zusätzlicher Infrastruktur müssen jedoch auch die berechtigten Befürchtungen vor einer zu rasanten Aufwertung der Gebiete und steigenden Mieten ernstgenommen werden. Darum brauchen die direkt angrenzenden Kieze dringend Milieuschutz! Damit wären die angestammten Mieter:innen vor Luxussanierungen und durch Vorkaufsrechte der öffentlichen Hand abgesichert. Hier muss der Bezirk handeln.
Erfreulich ist die vor kurzem erfolgte Aufnahme der Gebiete Haselhorst und Siemensstadt in das Städtebauförderprogramm ‚Wachstum und nachhaltige Erneuerung – Lebenswerte Quartiere gestalten‘ des Bundes, kofinanziert durch das Land. Für die Umsetzung der Maßnahmen des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) hat der Senat gerade 49 Millionen Euro freigegeben. So gestalten wir Zukunft!“
Die Vorlage mit der FNP-Änderung, vielen weiteren Informationen, der Abwägung von Einwendungen und einem Umweltbericht finden Sie hier online:
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-3593.pdf