Wettbüros: Neues Berliner Gesetz bewirkt strenge Abstandsregeln und Schließungen

Berlin geht im Kampf gegen Spielsucht und Geldwäsche erneut strenger als die anderen Bundesländer vor. Mit dem neuen Ausführungsgesetz zum Glücksspiel-Staatsvertrag hat das Berliner Abgeordnetenhaus strenge Abstandsregeln und daraus folgend die Schließung vieler Wettbüros beschlossen. Außerdem werden die Finanzmittel für Suchtforschung und –prävention um 50% erhöht. Berlins Innensenator Andreas Geisel hat die Vorlagen über den Senat voran gebracht. SPD-Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz fordert bereits seit Jahren ein konsequenteres Vorgehen auch in diesem Glücksspiel-Bereich und freut sich über die neuen Vorgaben. Er erwartet bei konsequenter Umsetzung und Kontrolle, dass die Zahl der Wettbüros ebenso deutlich zurückgehen wird wie die der Spielhallen in Berlin.

Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt der SPD-Fraktion: „Viel zu lange konnten die strengen Berliner Regelungen für Mindestabstände zwischen Wettbüros sowie zwischen Wettbüros und Oberschulen nicht umgesetzt werden, die wir bereits 2016 im Abgeordnetenhaus beschlossen haben. Der Grund war ein höchst unbefriedigender Schwebezustand in der bundesweiten Sportwettregulierung seit Herbst 2014 durch Gerichtsentscheidungen und langwierige Verhandlungen der 16 Bundesländer für einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag.

In der Praxis konnten in Berlin weder Erlaubnisse für Wettbüros rechtswirksam erteilt noch versagt oder aufgehoben werden. Wettbüros sind damit in der Stadt faktisch seit Jahren illegal, durften jedoch nicht geschlossen werden. Im Gegenteil: Überall in der Stadt haben wir mit großer Sorge die Ausbreitung der Wettbüros in den Kiezen beobachten müssen. Über 400 waren es laut Senatsauskunft auf meine Parlamentarische Anfrage im April 2019.

Mit dem zum Jahresbeginn 2020 in Kraft getretenen 3. Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist jetzt der Weg für einen geordneten Vollzug frei. Der Staatsvertrag ist aus meiner Sicht zwar ein Minimalkonsens der 16 Bundesländer, die SPD-geführten Bundesländer wären gerne noch weiter gegangen. Doch mit dem neuen kraftvollen Berliner Ausführungsgesetz werden wir den Glücksspiel-Staatsvertrag in der Umsetzung zum Leben erwecken. Immerhin geht es bei den Sport- und Pferdewetten bundesweit um einen Markt mit mehr als 1,6 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr.

Klar ist bereits jetzt: viele Wettbüros in Berlin werden schließen müssen. Das ist eine gute Nachricht für Berlin und insbesondere die stark betroffenen Kieze, aus denen mich regelmäßig besorgte Nachrichten von Bürger*innen erreichen. Die Zahl der Wettbüros reduziert sich auf ein verträgliches Maß, übermäßige Angebote verlocken nicht mehr zum Zocken. Wir werden jetzt alles daran setzen, den Innensenator bei der zügigen und konsequenten Umsetzung der neuen Regelungen zu unterstützen. Für das ‚Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag‘ hat am 5. März 2020 im Parlament übrigens neben den Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grüne auch die CDU gestimmt, ein Zeichen für die breite Unterstützung. Mit der Veröffentlichung im Berliner Amtsblatt ist die Gesetzesänderung am 29. März 2020 in Kraft getreten.

Im Zentrum des Ausführungsgesetzes stehen strenge Abstandsregelungen nach dem Vorbild unseres erfolgreichen Berliner Spielhallengesetzes: 200 Meter zu Oberschulen bzw. Jugendeinrichtungen, 500 Meter Mindestabstand zu anderen Wettbüros und 2.000 Meter zu Wettbüros desselben Anbieters. Bestehende unerlaubte Wettbüros, die diese Abstandsregeln nicht einhalten, werden zum 30. September 2020 schließen müssen. Die Frist ist kurz, denn echten Bestandschutz können solche Einrichtungen, die ohne behördliche Erlaubnis agieren,  nicht geltend machen. Gerade dort, wo viele Wettbüros dicht an dicht bestehen, wird die Wirksamkeit des Gesetzes konkret vor Ort zu sehen sein und die Stadt lebenswerter machen.

Eine wirklich gute Nachricht ist aus meiner Sicht auch die Stärkung des Spielerschutzes durch die strengen Vorgaben des Ausführungsgesetzes und die Erhöhung der Mittel für Suchtforschung und -prävention. Die Mittel der Deutschen Klassenlotterie Berlin steigen um 50 Prozent von 400.000 auf 600.000 Euro jährlich. Denn klar ist: vor den oft ruinösen Folgen der Spielsucht können wir Betroffene nur durch ein mehrgleisiges Vorgehen schützen: Dazu gehören strenge Vorgaben sowie engmaschige Kontrollen der Spieleinrichtungen durch Razzien und andere Maßnahmen. Zentral sind auch mehr Angebote zur Vorsorge und Beratung für Spielsüchtige.“

Berlins Innensenator Andreas Geisel hat die Gesetzesvorlage im Senat voran gebracht: „Wir haben jetzt die rechtlichen Möglichkeiten, den wichtigen Spielerschutz umzusetzen. Abstandsregelungen zum Beispiel zu Schulen oder zu anderen Glückspieleinrichtungen sowie Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde sind Schritte in die richtige Richtung. Gleichzeitig erhöhen wir die Mittel für Suchtforschung, Suchtberatung und Suchtprävention auf 600.000 Euro. Das dürfen wir bei der ganzen Diskussion über Wettbüros und Standortfragen nicht außer Acht lassen. Es geht immer um die Menschen.“

Daniel Buchholz ergänzt: „Die gesetzlichen Vorgaben für Wettbüros werden nicht nur bezüglich der Abstandsvorgaben denen der Spielhallen im Land Berlin angeglichen. Wichtiges Instrument für einen wirkungsvollen Spielerschutz ist auch die Einführung verbindlicher Sperrzeiten. Analog zum Spielhallengesetz werden die Sperrzeiten für Wettvermittlungsstellen ausgeweitet auf mindestens acht Stunden (3-11 Uhr morgens). Auch die Vorgaben zur Verhinderung von Geldwäsche sind nun explizit im Gesetz geregelt.

Spielsucht zerstört Menschen und Kieze. Darum hat Berlin das strengste Spielhallengesetz Deutschlands, für das ich mich von Anfang an stark gemacht habe. Und dieses Gesetz wirkt! Seit Inkrafttreten des Gesetzes 2011 hat sich die Zahl der Spielhallen halbiert, berlinweit von 584 auf 305 Ende 2019. Viele Berliner Kieze sind dadurch wieder deutlich lebenswerter.“

Breite Mehrheit im Parlament für Gesetzesverschärfung bei Wettbüros

Die Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses debattierten am 5. März 2020 in Zweiter Lesung das „Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag“. Die Regierungsfraktionen von SPD, Linke und Grünen bezeichneten den Gesetzentwurf des Senats als „Minimalkonsens“ von 16 Bundesländern. Berlin alleine wäre gerne sehr viel strenger vorgegangen, beispielsweise bei den Abstandsvorgaben für Wettbüros. Für die SPD-Fraktion stellte der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz (Sprecher für Stadtentwicklung, Umwelt, Klimaschutz) den Antrag im Parlament vor. Hier können Sie seine Rede als Video ansehen:

Die CDU unterstützte das Gesetz und begrüßte die Aufstockung der Mittel für die Suchtberatung. Die AfD enthielt sich, da die Partei „noch keine abschließende Position“ zum Thema hätte. Die FDP nannte das Gesetz einen „Eingriff in die Berufsfreiheit“ und hinterfragte die Sinnhaftigkeit des Abstandsgebots. Der Gesetzentwurf wurde mit den Stimmen von SPD, CDU, Linke, Grüne angenommen.