Tempelhofer Feld: Grüne Freifläche bleibt geschützt

Die Unterbringung von geflüchteten Menschen auf dem Tempelhofer Feld hat in Berlin intensive Diskussionen ausgelöst. Im Mai 2014 wurde durch das direkt von den Berlinerinnen und Berlinern beschlossene Tempelhof-Gesetz jegliche Bebauung auf dem Feld verboten. Nach intensiven Erörterungen auch auf Bürgerversammlungen haben SPD und CDU eine sehr behutsame Änderung des Gesetzes vorgenommen.

Die Gesetzesänderung wurde am 28. Januar 2016 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen. Danach können nicht nur auf dem betonierten Rollfeld vor dem ehemaligen Flughafengebäude mobile Notunterkünfte für Flüchtlinge errichtet werden, sondern befristet für drei Jahre auch auf den direkt angrenzenden befestigten, versiegelten Randflächen des Vorfeldes. Die große grüne Freifläche bleibt komplett geschützt und steht weiter für die Erholung und (sportliche) Nutzung durch die BerlinerInnen und alle Gäste offen. Buchholz: „Kein Grashalm auf dem Feld wird angetastet!“

Änderungen im Überblick

Auf Flugblättern der Initiative „100%THF“ wurden leider immer wieder Behauptungen verbreitet, die nichts mit der Realität zu tun haben. Der von den Koalitionsfraktionen SPD und CDU beschlossene Änderungsantrag zum Tempelhof-Gesetz sieht folgendes vor:

Die große grüne Freifläche bleibt dauerhaft geschützt.

Befristet für 3 Jahre werden mobile Flüchtlings-Unterkünfte auf befestigten Randflächen möglich.

Neue Freiräume für Integrationsprojekte, Bildung und Sport auf dem befestigten Rollfeld entstehen.

Kein „Durchwinken“ im Parlament, sondern mehrmonatige Beratungen, Fachgespräch und Bürger-Versammlungen.

Ursprünglich hatte der Berliner Senat in seinem Vorschlag zur Änderung des Gesetzes vom November 2015 wesentlich größere Flächen für eine befristete Flüchtlingsunterbringung vorgesehen: Am Tempelhofer Damm, dem Columbiadamm und auf der Neuköllner Seite des Feldes an der Oderstraße. Genauere Standortuntersuchungen haben gezeigt, dass diese Flächen kurz- bis mittelfristig nicht genutzt werden können. Dort fehlen Versorgungsleitungen für Strom und Wasser, es gibt eine intensive (Erholungs-)Nutzung durch AnwohnerInnen oder starken Verkehrslärm.

Daniel Buchholz, Stadtentwicklungsexperte der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, hat von Beginn an die Diskussion mit vielen Aktiven gesucht – auch und gerade denen, die jegliche Änderung des Tempelhof-Gesetzes ablehnen. Dazu hat er bereits am 7.12.15 an einer Bürgerversammlung (300 BesucherInnen) der Initiative 100%THF im Heimathafen Neukölln teilgenommen, am 8.1.16 an einem offenen Fachgespräch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und am 21.1.16 an der großen Bürgerversammlung von Bezirk und Senat im Flughafen-Gebäude (1.200 BesucherInnen).

Initiative 100%THF verweigert sich Fachgespräch

Buchholz: „Am 8.1.2016 fand das Fachgespräch über eine mögliche Änderung des Tempelhof-Gesetzes statt. In einer sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre haben rund 50 Anwesende das Pro&Contra der optionalen Nutzung des Vorfeldes und der angrenzenden versiegelten Flächen im Geltungsbereich des Tempelhofer-Feld-Gesetzes (ThFG) für mobile Flüchtlings-Unterkünfte sowie Integrationsprojekte diskutiert. Dort wurde niemand vereinnahmt oder gar Beschlüsse gefasst.

Es ist sehr bedauerlich, dass die Initiative 100%THF daran nicht teilgenommen hat. Leider ist dadurch nicht nur bei mir der Eindruck entstanden, Mitglieder der Initiative 100%THF hätten Angst vor Informationen und einem offenen Meinungsaustausch.

Bei der Veranstaltung am 8.1.2016 stellte zunächst die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ihren aktuellen Diskussionsstand vor, anschließend Mitglieder der „Bürger-AG Village“ sehr fundiert ihren Alternativvorschlag zur Vermeidung einer Änderung des ThFG. Die Ideen und Visualisierungen waren teilweise hochprofessionell und bieten eine gute Grundlage, im Dialog eine Verbesserung der Unterbringungssituation im Flughafengebäude und auf dem Vorfeld zu erreichen – unabhängig von einer Gesetzesänderung.

Auch wenn das ThFG nach der Verfassung von Berlin wie jedes „normale“ Gesetz jederzeit vom Berliner Abgeordnetenhaus geändert werden kann: Für mich gilt hier ein deutlich höherer Maßstab, da es mit einer sehr großen Mehrheit direkt von den Berlinerinnen und Berlinern beschlossen wurde. Darum habe ich mich gegen ein „Durchwinken“ im Parlament stark gemacht und im Dezember 2015 sowohl bei den Beratungen im Stadtentwicklungsausschuss als auch bei der Bürger-Versammlung am 7.12.2015 ein breite öffentliche Diskussion zugesagt. Diese wurde mit einer öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung am 21.1.2016 im Flughafengebäude fortgesetzt.

Parlamentsrede von Daniel Buchholz am 28.01.2016

Susi Sorglos lässt ihren Drachen steigen

Da die Initiative beim Fachgespräch am 8.1.2016  nicht dabei war, waren zahlreiche Fragen offen geblieben, die für meine Meinungsbildung und die meiner KollegInnen relevant sind.“ Daniel Buchholz schrieb daher einen Brief an die Initiative mit diversen Fragen. Die Antworten liegen vor, haben ihn aber sehr enttäuscht. „Anstatt inhaltlich auf die Fragen einzugehen, wird grundsätzlich jegliche Flüchtlingsunterbringung in großen Unterkünften abgelehnt. Dass wir in Berlin aktuell nicht genügend freie Wohnungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder Gewerbeeinheiten haben, wird schlicht ignoriert. Die Totalverweigerung der Initiative ist nicht hilfreich. Mein Eindruck: Susi Sorglos lässt auf dem Tempelhofer Feld ihren Drachen steigen, aber bekommt von den realen Problemen in der Stadt nichts mit.“

Den Brief von Daniel Buchholz finden Sie hier.
Und hier die Antworten der Initiative 100%THF.

Im Jahr 2015 sind rund 80.000 geflüchtete Menschen in Berlin angekommen, im Moment treffen jeden Tag rund 250 neu in unserer Stadt ein und benötigen eine Unterkunft. Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, dienen derzeit auch 50 Sporthallen für 10.000 Flüchtlinge als Notunterkünfte. Solche großen Unterkünfte haben gravierende Nachteile und sind nicht wünschenswert, wir können aber angesichts der aktuellen Unterbringungsnot nicht auf sie verzichten. Mit Hochdruck suchen der Lenkungsstab auf Landesebene und alle Bezirke nach geeigneten Gebäuden und Flächen. Viele sind insbesondere aus Gründen des Brandschutzes nicht kurzfristig nutzbar. Die Beschlagnahmung von leeren Büro- und Gewerbegebäuden wird jetzt forciert, ist in einem Rechtsstaat aber mit hohen Hürden versehen.

Tempelhofer Feld Flaechen A und BDurch die Änderung des Tempelhof-Gesetzes wird nach dem Vorbild des § 246 Abs. 13 BauGB das bestehende Bauverbot ausschließlich für die konkret benannten Flächen und Anlagen zeitlich befristet ausgesetzt. Diese Aussetzung betrifft Flächengrößen von 77.876 m² (Fläche A) bzw. 2,43 % der Gesamtfläche des vom ThF-Gesetz erfassten Tempelhofer Feldes und 41.360 m² (Fläche B) bzw. 1,29 % der Gesamtfläche. Im Verhältnis zu der gesamten Freifläche des Feldes sind die vorgesehenen Inanspruchnahmen gering. Die  Gesetzesänderung finden Sie hier zum Download.

Die Änderung führt dazu, dass auf den genannten befestigten Flächen am Columbiadamm und am Tempelhofer Damm bis zum 31. Dezember 2019 mobile Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende errichtet werden können. Sie werden (ebenso wie die Hangars) ausschliesslich als Notunterkünfte genutzt, die Flüchtlinge sollen schnellstmöglich in Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnungen umziehen. Ergänzend sind auf den befestigten Flächen temporäre bauliche Einrichtungen für Bildung, Begegnung und Betreuung möglich wie Traglufthallen, (Zirkus-)Zelte oder mobile Container.

 

Bericht der „Berliner Abendschau“ des rbb vom 20.01.2016:

 

Pressemitteilung BUND Berlin vom 20. Januar 2016:

Gesetzentwurf Regierungsfraktionen respektiert grundsätzliches Verbot für feste Bauten auf dem Tempelhofer Feld

Der Berliner Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin) hält eine optionale und befristete Nutzung der versiegelten Flächen auf dem Tempelhofer Feld südlich und östlich des Vorfeldes des ehemaligen Flughafens für mobile Bauten für Integrations- und Begegnungsprojekte sowie für Unterkünfte grundsätzlich für akzeptabel. Mit dem heute von den Regierungsfraktionen vorgelegten Änderungsentwurf zum Gesetz für den Erhalt des Tempelhofer Feldes werde klargestellt, dass maximal für drei Jahre eine befristete Erlaubnis für mobile Bauten auf den konkret benannten Flächen erteilt werden dürfe. Bereits jetzt sei nach dem Gesetz auf den betroffenen Flächen für Veranstaltungen das Aufstellen von Zelten oder Traglufthallen für einen kurzen Zeitraum möglich. Eine darüber hinausgehende Bebauung mit festen Gebäuden sei nach dem Gesetzentwurf der Koalition ausgeschlossen, das grundsätzliche Bauverbot des Volksgesetzes für das Tempelhofer Feld werde damit weiterhin respektiert. Die vom Senat in seinem Gesetzentwurf vom November vorgesehene Nutzung von Wiesenflächen an der Oderstraße und am Tempelhofer Damm hatte der BUND Berlin strikt abgelehnt, da diese Flächen zu den beliebtesten Grünflächen Berlins gehören und mit einem hohen Erschließungsaufwand für Logistik sowie Ver- und Entsorgung verbunden gewesen wären.

Tilmann Heuser, Landesgeschäftsführer des BUND Berlin: „Mit dem neuen Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen wird entsprechend unseres Vorschlags die potenzielle und zeitlich befristete Nutzung des Tempelhofer Feldes für mobile Unterkünfte und für mobile Bauten für Integrations- und Begegnungsprojekte auf die versiegelten Flächen unmittelbar neben dem betonierten Vorfeld konzentriert. Eine Bebauung mit festen Gebäuden oder ein Einstieg in eine Randbebauung ist mit dieser Änderung des Volksgesetzes nicht möglich, solche Planungen würden auch auf entschiedenen Widerstand des BUND stoßen.“

Zentrales Ziel der weiteren Entwicklung der Notunterkunft am Flughafen Tempelhof müsse es sein, endlich die unwürdigen Zustände bei der Unterbringung in den Hangars zu beenden und die Potenziale des Tempelhofer Feldes für Integration und Begegnung zu nutzen. Damit Tempelhof kein Symbol des Scheiterns der Berliner Flüchtlingspolitik werde, müsse die Verweildauer im Flughafenbereich möglichst kurz bleiben und die Zahl der Menschen vor Ort möglichst gering gehalten werden. Dazu sei es aber erforderlich, berlinweit konsequent geeigneten Wohnraum sicherzustellen, ohne dafür zentrale stadtentwicklungspolitische Ziele wie den Schutz der Natur oder von wertvollen Frei- und Grünflächen zu gefährden. 

Tilmann Heuser: „Als temporäre Notunterkunft ist der Flughafen Tempelhof nur dann akzeptabel, wenn er ein Ort des guten Ankommens für Zufluchtssuchende, aber auch des schnellen Weiterkommens in dezentral über die Stadt verteilte Unterkünfte an integrierten Standorte wird. Klar ist: um lediglich mehr Menschen im und am Flughafengebäude unterzubringen, ist schon wegen der Größe des Vorfeldes, der Raumpotenziale im Gebäude und der „landseitigen“ Flächen eine Änderung des Gesetzes nicht zwingend notwendig. Sinnvoll ist die befristete Erlaubnis der Nutzung der im Geltungsbereich des Gesetzes liegenden Flächen dann, wenn durch die Erweiterung der Vorfeldflächen die Unterbringungssituation im Gebäude räumlich entzerrt oder geeignete Integrationsprojekte verortet werden können.

Ob auf den Flächen neben dem Vorfeld zum Beispiel Zirkuszelte für die von zahlreichen Berlinerinnen und Berlinern unterstützten Integrations-, Begegnungs- und Bildungsprojekte oder mobile Unterkünfte für einen befristeten Zeitraum aufgestellt werden, müsse bei der weiteren Konzeptentwicklung für den Standort Flughafen Tempelhof geklärt werden. Schon alleine um durch das mit dem Gesetzesänderungsvorschlag des Senates verloren gegangene Vertrauen vieler Berlinerinnen und Berliner in die Respektierung des Ergebnisses des Volksentscheides wiederzugewinnen, müsse die Konzeptentwicklung transparent und in einem offenen Dialog erfolgen. Ebenso sei es notwendig, dass Engagement vieler Berlinerinnen und Berliner für Integration und Begegnungsprojekte auf dem Feld zu unterstützen, damit das Tempelhofer Feld  tatsächlich ein Ort der Willkommenskultur werden könne  – für alle Zufluchtssuchenden und Berlinerinnen und Berliner.