Geschichte hautnah erleben und anfassen! Mit der neuen Dauerausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ bietet die Zitadelle Spandau ein Glanzlicht im Kulturleben der Hauptstadt. Die im April 2016 eröffnete Ausstellung zeigt über 100 originale Denkmäler, die in den letzten beiden Jahrhunderten zumeist aus politischen Gründen aus dem Stadtbild entfernt wurden.
Bei einem Besuch des Kulturausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am 30. Mai 2016 waren auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller und der Spandauer SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz vor Ort dabei. Der „Kulturstandort Zitadelle Spandau“ kam auf Initiative von Buchholz auf die Tagesordnung des Kulturausschusses, dem er seit März 2015 angehört.
In den letzten drei Jahrzehnten hat das Land Berlin mit Fördermitteln der EU und der Lottostiftung mehr als 65 Millionen Euro in den Erhalt und Ausbau der Zitadelle Spandau investiert. Allein seit 2009 waren es insbesondere für die neue Ausstellung und die dafür notwendige Sanierung mehrerer Gebäude rund 14 Millionen Euro.
Zitadelle Spandau mit beeindruckender Geschichte
Die Zitadelle Spandau ist ein Ort mit beindruckender Geschichte, an dem man noch auf Spuren aus slawischer Zeit und dem Mittelalter stößt, aber sie ist auch ein Ort mit Zukunft, wovon das gerade in den letzten Jahren deutlich gewachsene kulturelle Angebot und das damit gestiegene Besucherinteresse zeugen.
Die Zitadelle gehört zu den bedeutendsten und besterhaltenen Festungsbauten der Hochrenaissance. Der Juliusturm ist nicht nur ein Wahrzeichen Spandaus, sondern das älteste Bauwerk Berlins (erbaut ca. 1230).
Das Gelände der Zitadelle beherbergt heute verschiedene Museen, Ausstellungsbereiche und ein Archiv. Im Neuen Zeughaus befindet sich das Stadtgeschichtliche Museum Spandau. Außerdem finden ständig wechselnde Ausstellungen zu Kunst und Geschichte in unterschiedlichen Gebäuden der Zitadelle statt.
Daniel Buchholz: „Das neue Nutzungskonzept für die Zitadelle, dessen Entwicklung die Spandauer SPD schon vor mehreren Jahren durch eigene Vorschläge voran gebracht hat, zeigt Wirkung. Es wurde gemeinsam von Senat, Bezirk und Landesdenkmalamt entwickelt und bildet die Grundlage für eine deutlich bessere Vermarktung sowie kulturelle und touristische Nutzung der Zitadelle.
Davon profitiert auch Berlin, denn die touristische Anziehungskraft der Stadt wird gestärkt und hört im Westen nicht am Schloss Charlottenburg auf. Die Zitadelle Berlin-Spandau ist eine der besterhaltenen Renaissance-Festungen Deutschlands und von besonderer Bedeutung für die Berliner Geschichtslandschaft.“
Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler
Mit modernem Medieneinsatz und über 100 originalen Denkmälern, die das Berliner Stadtbild seit dem 18. Jahrhundert prägten, zeitweise in Depots verschwanden oder gar vergraben wurden, erzählt die Ausstellung »Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« deutsche Geschichte. Berliner Denkmalkonzepte in den verschiedenen Phasen deutscher Geschichte werden aufgezeigt, in einer digitalen Denkmalkarte der Wandel der Berliner Denkmallandschaft dokumentiert.
So gibt es zum Beispiel als Zeugnisse der Denkmalkultur des Kaiserreiches die erhaltenen Standbilder und Büsten der ehemaligen Siegesallee zu sehen („Puppenallee“). Das Denkmal für die Gefallenen Eisenbahner von Emil Cauer ruft die Denkmalkultur der Weimarer Republik in Erinnerung. Die Denkmalkonzepte des Nationalsozialismus werden ebenso beleuchtet wie die Erinnerungskulturen, die sich in den beiden deutschen Staaten nach Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelten.
Auch der Umgang mit den Denkmälern der DDR-Zeit nach dem Fall der Mauer wird thematisiert. Im Rahmen dieses Ausstellungsabschnittes wird u. a. ein Fragment des granitenen Lenin-Denkmals von Nikolai Tomski gezeigt, das den Leninplatz, den heutigen Platz der Vereinten Nationen, prägte, 1991 abgebaut und schließlich im Köpenicker Forst vergraben wurde. In Vorbereitung seiner Präsentation in der Ausstellung »Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« wurde der Kopf der Lenin-Statue geborgen und vom Köpenicker Forst zur Zitadelle Spandau transportiert.
Schauplatz der Ausstellung sind zwei den Innenhof der Zitadelle Spandau beherrschende Gebäude der Geschichtsinsel Zitadelle, das ehemalige Proviantmagazin und das klassizistische Kasernengebäude. Das ehemalige Proviantmagazin wurde zu diesem Zweck aufwendig restauriert. Es eignet sich aufgrund seiner Deckenhöhe von über acht Metern besonders gut für die Präsentation der in der Ausstellung »Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« gezeigten Monumente, die mit Eröffnung der Schau erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Erdgeschoss der Alten Kaserne dagegen ist zum Ort geworden, an dem die Wirkungsgeschichte und die Debatten um die verschiedenen Denkmäler nachgezeichnet und aktuelle Denkmalentwürfe vorgestellt werden.
Mit rund 14 Millionen Euro wurde die Herrichtung der beiden Gebäude und die Einrichtung der Ausstellung »Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Lotto Stiftung Berlin gefördert. Träger des Projekts ist das Bezirksamt Spandau von Berlin.
Zielsetzung der Ausstellung
»Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« widmet sich als kulturhistorische Ausstellung politischen Denkmälern, die das Berliner Stadtbild seit dem 18. Jahrhundert prägten.
Die in der Ausstellung präsentierte digitale Denkmalkarte Berlins verdeutlicht: Kaum ein Denkmal befindet sich noch an dem Ort, für den es ursprünglich geplant worden war. Zahlreiche Denkmäler wurden umgesetzt, abgerissen, in Depots abgestellt oder sogar vergraben. Rund 100 Denkmäler, die im Laufe der Geschichte aus dem Berliner Stadtbild verschwunden sind, sind mit der Ausstellung der Öffentlichkeit wieder zugänglich. Anhand dieser Denkmäler, die als Zeichen politischer Herrschaft, ideologischer Legitimation oder als Orte des Gedenkens errichtet wurden, werden die Denkmalkonzepte der unterschiedlichen Epochen vorgestellt und deutsche Geschichte veranschaulicht.
Denkmäler sind Zeugen der Vergangenheit. Die ausgestellten Denkmäler wurden nicht rekonstruiert, sondern im vorgefundenen Zustand konserviert. So zeigen sie ihre eigene Geschichte ohne Pathos. Ihr jeweiliger Werdegang wird mit historischen Dokumenten sowie modernem Medieneinsatz erzählt. Auf diese Weise regt die Ausstellung zur Auseinandersetzung mit Geschichte an. Davon, dass die Geschichte von Denkmälern zur Reflexion der Vergangenheit führt, zeugt nicht zuletzt die bereits weit im Vorfeld der Eröffnung kontrovers geführte Debatte um die Präsentation des Kopfes von Nikolai Tomskis Lenin-Denkmal in der Ausstellung. In diesem Sinne ist der Kopf des Lenin-Denkmals ein zentrales Exponat der Ausstellung.
Geschichte des Lenin-Denkmals
Am 7. November 1968, dem 51. Jahrestag der Oktoberrevolution, wurde der Grundstein für das »Freund des deutschen Volkes«-Denkmal auf dem Lenin-Platz am Rande des Volksparks Friedrichshain gelegt. Nikolai Tomski, Präsident der Akademie der Künste der UdSSR, schuf das 19 Meter hohe Monument aus ukrainischem Granit.
Die Enthüllung fand am 19. April 1970 im Rahmen einer Großkundgebung statt, drei Tage vor dem 100. Geburtstag Lenins. Gewidmet war das Denkmal sowohl dem Revolutionär und Begründer der Sowjetunion als auch der deutsch-sowjetischen Freundschaft.
Nach der friedlichen Revolution und dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurde der Marxismus-Leninismus als obsolet betrachtet und das Lenin-Denkmal politisch unliebsam. Deshalb wurde auf Senatsebene im Oktober 1991 die Abtragung des Denkmals vorangetrieben. Begleitet von zahlreichen Protesten aus der Bevölkerung gegen den Abriss und für den Erhalt begann am 8. November 1991 die Demontage. Am 13. November erfolgte der Abbau des Kopfes des Denkmals. Die Bilder gingen um die Welt und wurden im Film »Good bye, Lenin!« verarbeitet. Doch gestaltete sich der Abbau schwieriger als geplant. Zwei Firmen waren bis Anfang Februar mit der Entfernung des Denkmals aus dem öffentlichen Stadtbild beschäftigt. Mit der Löschung aus der Denkmalliste ging der Denkmalstatus offiziell am 10. Januar 1992 verloren. Die über 110 Granitblöcke des Denkmals wurden im Müggelheimer Forst gelagert und 1992 mit Kies und Erde zugeschüttet, um Vandalismus zu verhindern.
Bergung des Kopfes des Lenin-Denkmals
Bereits 2009 war der Kopf des Lenin-Denkmals fester Bestandteil des Ausstellungskonzeptes, da das Denkmal sowohl für die Denkmalpolitik der DDR als auch für die Entfernung politisch unerwünschter Denkmäler nach 1989 steht. Auf Senatsebene wurde jedoch lange gezögert, seiner Bergung für die öffentliche Präsentation in der Ausstellung zuzustimmen. Nach intensiver Überzeugungsarbeit und mit Unterstützung des wissenschaftlichen Beirats erhielt das Ausstellungsteam am 12. September 2014 die Genehmigung, den Kopf des Lenin-Denkmals zu bergen und in der Ausstellung »Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler« zu präsentieren. Das letzte Hindernis, die Vergrämung und Umsiedlung der unter strengem Naturschutz stehenden Zauneidechsen, die im Lagergebiet des Denkmals siedelten, wurde im Frühjahr 2015 erfolgreich überwunden. Am 7. September 2015 begann die naturschutzkonforme Freilegung und Bergung des Denkmalkopfes. Die Kosten der Bergung beliefen sich inklusive der Maßnahmen zum Schutz der Zauneidechsen auf ca. 72.000 Euro.
Der Kopf des Lenin-Denkmals wird im ehemaligen Proviantmagazin der Zitadelle liegend, wie im Forst gefunden, auf einem Sockel präsentiert. Vor der Einbringung in die Ausstellung wurde er lediglich gereinigt. Die Geschichte und die Kontroversen um das Denkmal, von seiner Planung bis zur Präsentation in der Ausstellung, werden anhand historischen Quellenmaterials in Medienstationen dokumentiert und kontextualisiert.
(Fotos: Märald Soyke, Daniel Buchholz;
Text unter Verwendung von Pressematerial des Bezirksamts Spandau)