Gewerbe schützen und strategische Flächen sichern

Die explodierenden Boden- und Mietpreise stellen zunehmend kleine Gewerbetreibende und den lokalen Einzelhandel vor große Probleme. Auch immer mehr soziale Träger, Vereine, Kitas oder Kinderläden haben Schwierigkeiten, in Berlin bezahlbare Räume zu finden oder weiter zu finanzieren. Gewerbe schützen statt Gewerbe verdrängen: Mit zwei Parlamentsanträgen fordert die Koalition aus SPD/Linke/Grüne den Senat auf, die vielfältigen Gewerbestrukturen und damit die attraktive „Berliner Mischung“ durch landes- und bundespolitische Initiativen zu schützen.

Zu einer wachsenden Stadt gehört nicht nur neuer Wohnraum, sondern auch eine entsprechende
Infrastruktur. Die steigenden Gewerbemieten stellen zunehmend kleine Gewerbetreibende
und lokalen Einzelhandel vor große Probleme. Auch immer mehr soziale Träger, Vereine,
Kitas oder Kinderläden haben Schwierigkeiten, noch bezahlbare Flächen zu finden oder
ihre bestehenden Räume weiter zu finanzieren.


Gewerbe schützen als nachhaltige Stadtpolitik

Es geht um eine nachhaltige Stadtpolitik, betont der Sprecher für Stadtentwicklung der Berliner SPD-Fraktion Daniel Buchholz. Gewerbe schützen statt Gewerbe verdrängen ist darum sein erklärtes Ziel. Um den negativen Entwicklungen im Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten entgegenzuwirken, wird der Berliner Senat in einem Koalitionsantrag aufgefordert, folgende Maßnahmen und Vorhaben umzusetzen:

  • Land und Bezirke erstellen in Zusammenarbeit einen Gewerberaumbericht sowie
    kleinteilige Gewerbeflächenentwicklungskonzepte. Darin soll u.a. untersucht werden,
    wie sich das Angebot an Flächen für kleinteiliges Gewerbe, Einzelhandel sowie soziale
    Träger entwickelt und welche Bedarfe derzeit und in den kommenden Jahren zu erwarten
    sind. Ebenso ist die Sicherung von bestehenden Flächen und Standorten zu berücksichtigen.
  • Es wird geprüft, inwieweit ein bezirkliches Gewerbeflächenmanagement eingerichtet
    werden kann. Hierzu werden die Bezirke ermutigt, die Stelle einer/eines Gewerbeflächenbeauftragten
    in den Bezirksämtern zu schaffen. Die bezirklichen Gewerbeflächenbeauftragten
    sollten als zentrale Ansprechpersonen dienen, die Kommunikation
    aller relevanten Akteure ausbauen und die zu erarbeitenden bezirklichen Gewerbeflächenkonzepte
    sowie die kleinteilige Sicherung und Entwicklung der Gewerbestandorte
    in den Bezirken begleiten.
  • Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die berlinovo stellen Gewerberäume
    gezielt für soziale Aufgaben und spezifische Wohnformen, kleinteilige Gewerbebetriebe
    und Kultur zur Verfügung – insbesondere in Quartieren, die besonders von
    steigenden Gewerbemieten und der Verdrängung von sozialer Infrastruktur betroffen
    sind. Bei Neubauprojekten werden die Wohnungsbaugesellschaften vermehrt in den
    Erdgeschosszonen Gewerberäume errichten. Es wird geprüft, ob die Gewerbevermietung
    als weitere Aufgabe in die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und den
    landeseigenen Wohnungsunternehmen aufgenommen wird.
  • Um längerfristige und günstigere Mietkonditionen für soziale Träger und Projekte zu
    erreichen, wird ein Generalmietermodell entwickelt. Zudem soll das Land Berlin prüfen,
    ob perspektivisch die Gründung eines städtischen Unternehmens zur Vermietung
    von Gewerberäumen gebraucht wird.

In einem zweiten Antrag fordert die Koalition den Senat zu Bundesratsinitiativen auf, um „Gewerbe schützen“ auch im Bundesrecht zu verankern.

Bundesratsintiativen für Milieuschutz auch im Gewerbe

Derzeit sieht das Mietrecht für Gewerbe keine Schutzklauseln vergleichbar zum Wohnungsmietrecht vor. Gesetzliche Vorschriften zur Miethöhe fehlen, eine Kündigung ohne Angabe von Gründen ist oft innerhalb kürzester Zeiträume möglich. Um die kleinteiligen Einzelhandelstrukturen sowie bezahlbare Gewerberäume – z.B. für soziale Infrastruktur oder Handwerksbetriebe – zu sichern und die Lebensqualität unserer Stadtteile attraktiv zu halten, ist die Einführung von Schutzregelungen für angespannte Gewerbemietmärkte daher dringend geboten.

Der Senat wird im Antragstext aufgefordert, zu folgenden Punkten Bundesratsinitiativen vorzubereiten und einzubringen:

  • Das Land Berlin setzt sich für die Erweiterung des sozialen Erhaltungsrechtes (sog. Milieuschutz) auch für Gewerbe und soziale Infrastruktur ein. Denn zum Schutz der sozialen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gehört auch eine funktionierende soziale Infrastruktur und wohnortnahe Grundversorgung. Denkbar sind auf den jeweiligen Gebietscharakter abgestimmte Nutzungsmischungen, die bei Neuvermietungen eingehalten werden müssen, sowie Mietobergrenzen. Zudem soll die Umwandlung von Gewerbe- in Wohnräume genehmigungspflichtig werden.
  • Der Bund soll den Ländern erlauben, in Gebieten mit angespanntem Gewerbemietmarkt Rechtsverordnungen zu erlassen, um vielfältige Gewerbestrukturen und die Versorgung der Wohnbevölkerung mit Angeboten der Grundversorgung und sozialer Infrastruktur sicherzustellen. Dazu gehört der Ausbau des Kündigungsschutzes für Gewerbemieter/-innen, damit Vermieter/-innen nicht ohne Grund und nicht allein aufgrund wirtschaftlicher Interessen kündigen können.
  • Analog zum Mietspiegel setzt sich das Land Berlin ebenfalls für eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein, um in Kommunen mit angespanntem Gewerbemietmarkt einen Gewerbemietspiegel einführen zu können, mit dem quartiersgenau bzw. nach Lage alle zwei Jahre Mietobergrenzen festgelegt werden. Auch bei Wiedervermietung soll eine Gewerbemietpreisbremse für einen moderaten Gewerbemietpreis sorgen.

Die beiden Anträge „Vielfältige Gewerbestrukturen schützen I – Berliner Mischung erhalten“ und „Vielfältige Gewerbestrukturen schützen II – Bundesratsinitiative starten für ein soziales Gewerbemietrecht“ wurden in der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 6. Juni 2019 beschlossen.

Hier können Sie beide Anträge im Original nachlesen:

Antrag Gewerbe schuetzen I

Antrag Gewerbe schuetzen II

 


Aktive Ankaufspolitik und strategische Grundstücksreserve

Dazu passt auch eine geänderte Berliner Bodenpolitik: Seit mehreren Jahren verkauft das Land Berlin praktisch keine Grundstücke oder Liegenschaften mehr, private Nutzer erhalten allenfalls langjährige Pachtverträge. Jetzt geht R2G noch einen Schritt weiter. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat in der gleichen Parlamentssitzung eine aktive Ankaufspolitik beschlossen zum Aufbau einer strategischen Grundstücksreserve für die öffentliche Hand. Ein mehr als überfälliger Schritt hin zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung, findet nicht nur Daniel Buchholz.

Die aktuelle Regierungskoalition aus SPD, Linke, Grüne hat sich verpflichtet, eine soziale und nachhaltige Boden- und Liegenschaftspolitik zu verfolgen. Dazu soll ein nachhaltiges, strategisch vorausschauendes Flächenmanagement eingeführt werden. Die Weiterentwicklung der Boden- und Liegenschaftspolitik erfordert eine enge Verzahnung der Stadtentwicklungspolitik mit der Liegenschaftspolitik. Der aktive Flächenankauf zum Aufbau einer strategischen Grundstücksreserve dient der Optimierung der Flächennutzung für eine städtebauliche, soziale, ökologische und stadtwirtschaftliche Politik.

Die Verfügbarkeit über landeseigenen Grund und Boden ist die Basis für eine zügige und kostensparende gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung. Angesichts knapper Flächen und zunehmender Konkurrenzen über deren Nutzung kann eine vorausschauende Daseinsvorsorge nur erfolgen, wenn auch die Liegenschaftspolitik vorausschauend erfolgt und sich am stadtpolitischen Nutzen orientiert. Neben Wohnen, Gewerbe, Ausgleichs- und Ersatzflächen ist dabei auch der Gemeinbedarf ausreichend zu berücksichtigen, der Flächen für Kultur, Sport, Bildung, Erholung und soziale Einrichtungen umfassen muss.

Um für Berlin ein passendes und praktikables Modell zu entwickeln, sollen Erfahrungen aus anderen Städten ebenso einbezogen werden wie Erfahrungen aus Politik und Zivilgesellschaft, aus Fachverwaltungen und den Bezirken. Auch die landeseigenen Unternehmen sollen in den Prozess einbezogen werden. Flächen, die nicht mehr betriebsnotwendig sind, sollen in die Grundstücksreserve einbezogen werden. Dies ist auch zu prüfen für Flächen anderer öffentlicher Eigentümer wie Bund, EBA, DB AG.

Hier können Sie den vollständigen Parlamentsbeschluss nachlesen:

Antrag Aktive Ankaufspolitik Grundstuecksreserve