Mobilität Fußgänger/innen deutlich verbessern

Die Angebote für zu Fuß Gehende und mobilitätseingeschränkte Menschen sind deutlich zu verbessern: Das hat die SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses auf ihrer Klausurtagung Anfang 2019 beschlossen. Denn nur durch umfassende Barrierefreiheit, gut beleuchtete Wege, bezahlbare Angebote und faire Wettbewerbsbedingungen für Taxis und neue Mobilitätsdienstleister gibt es echte Verbesserungen in der ganzen Stadt. Das sichert die Mobilität Fußgänger/innen. Hier der Beschluss der SPD-Fraktion im Wortlaut:

Mobil sein fängt beim Gehen an

Alle Menschen, unabhängig von Alter oder möglichen Einschränkungen, haben ein Anrecht auf gesellschaftliche Teilhabe. Um diese Teilhabe aktiv leben zu können, müssen alle Berlinerinnen und Berliner die gleiche Möglichkeit haben, sich innerhalb der Stadt fortzubewegen und mobil zu sein. Das Anrecht auf eine gleichwertige Mobilität in allen Teilen Berlins für alle Bevölkerungsgruppen ist für die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus klare politische Verpflichtung. Wir fördern die tatsächliche Durchsetzung dieses Gleichheitsgebots, indem wir Sorge tragen, dass Mobilität für alle Menschen dieser Stadt erschwinglich, praktisch umsetzbar und barrierefrei möglich ist.

Besondere Berücksichtigung benötigen hierbei vor allem Bevölkerungsgruppen, deren Mobilität aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist: Kinder, Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Behinderungen. Diese sind überproportional im Fußverkehr vertreten. Es gibt also gleich eine doppelte politische Verpflichtung, die Gruppe der zu Fuß Gehenden zu schützen und ihre Bedürfnisse angemessen zu berücksichtigen.

Sie sind erstens im Verkehr die schwächste Gruppe: Denn sie sind die langsamste Gruppe und sie haben kein Blech um sich herum, das sie schützt. Und zweitens ist innerhalb der Gruppe der zu Fuß Gehenden der Anteil besonders schutzbedürftiger Gruppen besonders hoch. Die Gruppen der Schulkinder, Seniorinnen und Senioren sowie mobilitätseingeschränkten Personen sind in erster Linie Fußgängerinnen und Fußgänger.

Insofern gilt es, den Schutzraum der Gehwege besonders zu sichern. Er muss – insbesondere im Umfeld der entsprechenden Gemeinschaftseinrichtungen – barrierefrei begehbar sein. Kreuzungen müssen die Bedürfnisse von Fußgängerinnen und Fußgängern – egal wie schnell oder langsam sie sind – berücksichtigen und Sicherheit bieten. Hierzu gehört auch, dass die Gehwege allein den Fußgängerinnen und Fußgängern, den radfahrenden Kindern und Rollstuhlfahrenden vorbehalten bleiben. Innovative Mobilitätsangebote wie E-Scooter haben auf Gehwegen nichts zu suchen.

Zum Schutz der Fußgängerinnen und Fußgänger vor den besonders gefährlichen Abbiegeunfällen haben wir zudem eine erfolgreiche Bundesratsinitiative eingebracht, die eine europaweite verpflichtende Einführung von LKW-Abbiegeassistenten fordert.

Folgende weitere Maßnahmen fordern wir:

  • Wir setzen uns ein für ein Sofortprogramm zur Erhöhung der Barrierefreiheit im Straßenraum und zur Gehwegsanierung.
  • Es soll ausreichend breite Gehwege im Umfeld sozialer Einrichtungen geben (beispielsweise für die Begegnung zweier Rollstühle).
  • Ebenfalls sollen im Umfeld dieser Einrichtungen mehr Sitzmöbel zum Verweilen eingerichtet werden.
  • Die Straßenbeleuchtung muss im Umfeld dieser Einrichtungen besonders gesichert sein.
  • Generell ist eine bessere Beleuchtung von Straßen und Gehwegen zu gewährleisten, auch bei Durchgängen in Parks. Das gilt gleichermaßen für private Straßen und Gehwege.
  • Für Schulen soll es verpflichtend zu erstellende Schulwegpläne geben, die Schülerinnen und Schüler sowie Eltern sowohl per Aushang in den Schulen als auch digital zur Verfügung gestellt werden.
  • Wir wollen die Einrichtung eigener Grünphasen für rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge (bei zeitgleichem Rot für zu Fuß Gehende und Radfahrende) an den von der Unfallkommission vorgeschlagenen Kreuzungen sowie die Schaltung von Grünphasen für zu Fuß Gehende dergestalt, dass für alle zu Fuß Gehenden eine Überquerung bei Grün möglich ist.
  • LKWs in Berlin sollen über einen Abbiegeassistenten verfügen. Daher unterstützen wir Firmen bei der Anschaffung dieser lebensrettenden Systeme im Rahmen des Nachtragshaushalts mit 2 Millionen Euro. Für den landeseigenen Fuhrpark fordern wir eine schnellstmögliche Nachrüstung mit Abbiegeassistenten.
  • Bei großen Straßen soll es vermehrt Querungsmöglichkeiten wie Mittelinseln, Zebrastreifen und Gehwegvorstreckungen geben.
  • Alle Ampeln müssen barrierefrei sein, auch für sehbehinderte und blinde Menschen.
  • E-Scooter und vergleichbare Fahrzeuge sind von der Nutzung der Gehwege auszuschließen und entsprechende Bußgelder einzuführen.
  • Anbieter von Mietfahrrädern dürfen öffentliche Wegeflächen nicht ohne entsprechende Regelungen als Abstellfläche für ihre Fahrräder nutzen, die häufig vor allem als Werbeflächen dienen.
  • Wir fordern die zeitnahe Umsetzung des von uns verabschiedeten Toilettenkonzepts und die Ergänzung um Trinkbrunnen.

Mobilitätsangebote für Menschen mit Einschränkungen ausbauen und bewahren

Ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen sind überdurchschnittlich oft auf besondere Fahrdienst-Angebote angewiesen, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Das Netzwerk aus sozialen Fahrdiensten leistet hierbei eine wichtige Aufgabe der Daseinsvorsorge und wird von uns entsprechend gefördert.

Ebenso wichtig sind die durch das Land Berlin geförderten Mobilitätshilfedienste sowie der Begleitservice des VBB. Diese sind derzeit nicht bedarfsdeckend. Wir werden diese ausbauen und auch Menschen unter 65 Jahren zur Verfügung stellen.

Mit unserem Förderprogramm für Inklusionstaxis fördern wir aktiv das barrierefreie Verkehrsangebot. Der Taxiverkehr in seiner Gesamtheit bildet für mobilitätseingeschränkte Personen einen existentiellen Baustein des Mobilitätsangebots. Aus diesem Grund sind sie auch Teil des ÖPNV. Das bedeutet sie haben eine Beförderungs- und Betriebspflicht: egal wo und egal wann in der Stadt. Ein Taxi können Sie nachts um 3 Uhr in Mahlsdorf genauso rufen, wie morgens 10 Uhr am Hauptbahnhof.

Die Tarifpflicht von Taxis sichert zudem, dass die Mobilität von bewegungseingeschränkten Menschen nicht Marktpreisen unterworfen ist. Wenn eine ältere Dame regelmäßig zur Untersuchung zum Facharzt muss, bringt sie ein Taxi zum festen Tarif dort hin. Dieser Baustein des ÖPNV wird gegenwärtig durch marktgesteuerte und weitgehend unregulierte Mobilitätsangebote in seiner Existenz bedroht.

Wir stehen zu dem Ziel des Mobilitätsgesetzes, innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote zu erproben und zu nutzen. Dabei darf es sich aber nicht um Angebote handeln, deren Ziel es ist, Rosinenpickerei zu betreiben und die Grundlagen der öffentlichen Angebote zu unterminieren.

Der neue Nahverkehrsplan des Berliner Senats verweist auf zahlreiche Studien, die die Kannibalisierung des ÖPNV durch innovative Verkehrsdienstleister in gut versorgten Gebieten belegen. Die soziale Blindheit des Marktes macht vor der share economy nicht halt.

Daher braucht es klare Regularien, die die ganze Stadt und auch die möglichen Nebeneffekte innovativer Formate im Blick behalten. Solche Verkehrsangebote mögen bestimmten Bevölkerungsgruppen in zentralen Lagen Bequemlichkeit bieten. Sie erodieren aber das notwendige Grundangebot für Bevölkerungsgruppen mit Mobilitätseinschränkungen. So fokussiert sich das Angebot solcher Marktanbieter auf wirtschaftlich lukrative Gebiete in Innenstadtlagen.

Zu Randzeiten und in Außenbezirken wird dagegen keine Versorgung gewährleistet. Da diese Dienstleister keine Betriebs- und Beförderungspflicht haben, gibt es auch nur ein begrenztes Angebot. Wer in Frohnau nachts dringend zum Notdienst oder zum Flughafen muss, kann auf solche Angebote nicht zählen. Auch der Preis ist dem Prinzip von Angebot und Nachfrage unterworfen. Findet ein Arzttermin zufälligerweise während eines Groß-Events wie der Berlinale oder während eines Streiks statt, steigen die Preise solcher Fahrten auf ein Vielfaches. Zusätzlich erhalten die Fahrerinnen und Fahrer bei solchen Anbietern häufig keinen Mindestlohn. Das ist nicht unsere Vorstellung einer sozial gerechten Mobilität für alle.

Daher fordern wir folgende Maßnahmen:

  • Marktangebote in der Personenbeförderung müssen besser reguliert werden. Hierzu zählen Aufzeichnungspflicht sowie Wegstreckenzähler für alle Mietwagenanbieter.
  • Das Fahrangebot BerlKönig der BVG wird in die mit ÖPNV-Angeboten unterversorgten Gebiete in Außenbezirken verlagert.
  • Für mit dem ÖPNV gut erschlossene Gebiete soll es eine Ausschlussklausel für zusätzliche öffentlich geförderte Angebote der gewerblichen Individualmobilität geben.
  • Öffentlich finanzierte Angebote dürfen nicht zu einer Kannibalisierung des ÖPNV führen.
  • Einführung eines Zubringertarifs von Taxis in den Außenbezirken zur nächstgelegenen schienengebundenen ÖPNV-Haltestelle.
  • Wir setzen uns dafür ein, dass es unter keinen Umständen zu einer Aufhebung der Tarifpflicht für Taxis im Personenbeförderungsgesetz kommt.

Die beschlossene Gesamtresolution zu allen Themenbereichen der Klausurtagung der SPD-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses finden Sie hier zum Download:

Resolution SPD Berlin 01-2019