30.000 Altglas-Tonnen sollen verschwinden: Unsinn jetzt stoppen!

Seit August 2019 wurden in neun Berliner Bezirken mehr als 25.000 Altglas-Hoftonnen abgezogen. Die privatwirtschaftlich organisierten Dualen Systeme handeln damit gegen glasklare Beschlüsse des Berliner Parlaments. Für den Umweltexperten und SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz ein riesiger Fehler! Er setzt sich für den Erhalt der bewährten Haus- und Hoftonnen ein. Die Sammlung von Verpackungsabfällen soll endlich wieder durch kommunale Entsorger erfolgen.

Buchholz: „Trotz gegenteiliger Beschlüsse des Berliner Abgeordnetenhauses sind schon mehr als 25.000 Altglas-Tonnen aus den Höfen und vor den Häusern der Berliner*innen verschwunden. Eine echte Zumutung und klimapolitisch das völlig falsche Signal! In Zeiten einer erklärten Klimanotlage ist das inakzeptabel. Im Gegenteil sind alle Maßnahmen für eine erweiterte Altglas-Sammlung zu ergreifen. Durch lange Wege zu den Altglas-Iglus werden nicht nur ältere Menschen vom Altglasrecycling ausgeschlossen und die Zahl der Fehlwürfe steigt. Die Umstellung von Hoftonnen auf Iglu-Sammlung ist daher sofort zu stoppen.

Die vorbildliche getrennte Sammlung von Altglas begann in Berlin bereits in den 1970er Jahren. Sie schont Klima und Ressourcen, aber auch das Portemonnaie. Denn Erfahrungen zeigen, dass bei Abzug der Hoftonnen die Menge getrennt gesammelten Altglases deutlich sinkt. Das Altglas landet stattdessen häufig in der teuren Restmülltonne, obwohl die Verbraucher*innen bereits an der Ladenkasse über den ‚Grünen Punkt‘ für Abholung und Recycling der Getränkeverpackung bezahlt haben. Vielen ist der Gang zum Altglas-Iglu zu weit und unbequem. Wer nicht gut zu Fuß ist, dem fällt der Weg besonders schwer.

Bis Anfang 2020 sollten rund ein Drittel der Berliner Altglas-Tonnen von Grundstücken und Hinterhöfen verschwinden, v.a. außerhalb des S-Bahn-Ringes bzw. in der Nähe zu öffentlichen Glas-Iglus. Dieses Ziel verfolgen die privatwirtschaftlich organisierten Dualen Systeme bereits seit mehreren Jahren, hauptsächlich um ihre Kosten zu senken. Berlinweit sollte die Zahl der Haus- und Hoftonnen bis Anfang 2020 von über 94.000 auf 62.000 sinken. Das hatte der Senat offiziell mitgeteilt. Der Abzug steht im glasklaren Widerspruch zu Beschlüssen des Berliner Landesparlaments vom März 2014 sowie April 2017 für den Erhalt der haushaltsnahen und verbraucher­freundlichen Altglas-Sammlung in allen Bezirken.

Über den Stand des Abzugs der Haus- und Hoftonnen in den einzelnen Bezirken hat der Senat ausführlich auf meine Parlamentarische Anfrage hin im September 2019 berichtet: Altglas Anfrage Buchholz 09-2019.

Altglas-Sammlung: Gut für Verbraucher und das Klima

Das Parlament fordert stattdessen Optimierungen, die bisher nicht umgesetzt wurden: Ausreichend häufige Leerungen, kleinere Einwurf-Löcher, abschließbare Deckel für die Tonnen und eine begleitende Informationskampagne können die Qualität des gesammelten Berliner Altglases deutlich verbessern. Auch die Unterscheidung zwischen Innenstadt und Außenbezirken ist großer Unsinn. Vielmehr sollten die tatsächlich vorhandenen Siedlungsstrukturen das Kriterium sein: Also Einfami­lien­haussiedlungen oder Geschosswohnungsbau, unabhängig von der Lage des Bezirks.

Was sich nur indirekt aus den jetzt verschickten Briefen an die Bürger*innen herauslesen ließ: Der Abzug der Tonnen erfolgt eigentlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. So haben es Senatsum­welt­verwaltung, BSR und Betreiber der Dualen Systeme in einer sog. Abstimmungsvereinbarung im Juli 2017 festgelegt. Nur ein Teil der Eigentümer*innen und Hausverwaltungen ist auf Bitten der Mieter*innen aktiv geworden. Musterbriefe für den Wider­spruch gibt es weiterhin auf der Aktionsseite ‚Meine Altglastonne bleibt!‘ des Umweltverbands BUND:

www.bund-berlin.de/mitmachen/aktion-meine-altglastonne-bleibt

Bundespoltisch sind die Vorzeichen zwar schwieriger geworden. Politisch setze ich mich aber weiterhin für den Erhalt des bisherigen Sammelsystems in Berlin ein und kritisiere die Missachtung der Parlamentsbeschlüsse. Der nun entstehende ‚Flickenteppich‘ von einzelnen Ladestellen für Hoftonnen ist ein weiteres Manko. Der Senat muss auf die Dualen Systeme einwirken, um die seit Jahrzehnten bewährte und verbraucherfreundliche haushaltsnahe Berliner Altglassammlung wieder herzustellen.

In Anerkennung der Klimanotlage sollen die Sammelquoten dadurch wieder gesteigert werden. Sofern die Dualen Systeme dazu nicht bereit sind, ist der Aufbau einer kommunalen Altglassammlung vorzunehmen. Auf der Bundesebene ist ergänzend die ‚große Lösung‘ anzugehen. Das privatwirtschaftlich organisierte System der Verpackungsentsorgung ist ineffizient, stand bereits mehrfach vor dem Zusammenbruch und handelt weder im Interesse der Verbraucher*innen noch der Umwelt. Darum ist die Sammlung der Verpackungsabfälle in Deutschland zu rekommunalisieren und auch die Altglas-Sammlung in die kommunale Hoheit zu überführen.“

Der Senat hat im Juli 2019 mitgeteilt, dass mit den „größer angelegten Abzugsaktionen“ von Altglastonnen im August 2019 in den Bezirken Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf (Gebiet BE 101) begonnen wird. Allein in diesen drei Bezirken sollte sich die Anzahl „von 28.783 auf ca. 15.300 Behälter“ reduzieren. Ab Ende September 2019 folgten BE 102 (Reinickendorf, Mitte, Pankow) und ab Mitte Oktober 2019 BE 103 (Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln).

Weitere Informationen und Zahlen finden Sie hier im ausführlichen Bericht der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz vom Juli 2019. Er enthält auch den Parlamentsbeschluss von 2017 zum Erhalt der Haus- und Hoftonnen:

Altglas Bericht Senat 07-2019

Der Abzug von Haus- und Hoftonnen für Altglas begann in einigen Berliner Bezirken erstmals Ende 2013. Nach scharfem Protest der betroffenen Mieter, Hausverwaltungen und aus der Politik war der vom Dualen System geplante weitere Abzug der Hoftonnen in allen Bezirken zunächst gestoppt worden. Mehr dazu:

Altglas: Parlament stoppt Abzug von Hoftonnen  (Artikel aus dem Jahr 2016)


Und aus dem Archiv hier noch ein Beitrag aus dem Jahr 2014 – leider weiterhin aktuell:

Grüner Punkt und Duales System am Ende?

Ist das Recycling-System des Grünen Punkts am Ende? Wieso zahlen die Verbraucher oftmals doppelt für die Entsorgung ihres Plastikmülls? Wann kommen die Altglas-Tonnen in drei Berliner Bezirken zurück?

Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, plädiert im April 2014 live im Studiogespräch bei „rbb-aktuell“ für ein Ende des bankrotten Dualen Systems (DSD). Er fordert die kommunale Hoheit für alle Abfälle der privaten Haushalte durch die BSR und ein neues Wertstoffgesetz, das ökologisch und ökonomisch endlich die richtigen Anreize setzt.