Die Polizei – Dein Freund und (Wahl-)Helfer?

Fast unglaublich, aber wahr: Die Spandauer Polizeidirektion hat es mit der politischen Neutralität in der Vergangenheit nicht so genau genommen. Dem Spandauer SPD-Abgeordneten Daniel Buchholz wurde mit fadenscheinigen Gründen die Teilnahme von Polizeibeamten bei einer Bürger-Veranstaltung zur Sicherheit im Kiez verweigert.

Bei Veranstaltungen der Spandauer CDU erschienen die Polizeibeamten dafür gleich mehrfach und in Mannschaftsstärke. Den peinlichen Vorfall musste der Berliner Senat auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Buchholz hin bestätigen. „Die Polizei hat eindeutig ihren Neutralitätsgrundsatz verletzt. Das war kein Betriebsunfall, sondern ist leider bewusst so entschieden worden“, erklärte Buchholz.

Plakat Sicher leben in der Siemensstadt -smallDer direkt gewählte Spandauer Abgeordnete hatte wiederholt bei der Polizeidirektion nachgefragt, ob es wirklich keine Möglichkeit zur Teilnahme für einen Polizeibeamten gäbe. Zunächst wurde er immer wieder vertröstet und hingehalten, dann erhielt er eine endgültige Absage. Das Thema der Veranstaltung in seinem Bürgerbüro am 9. Juli 2015 dürfte wohl kaum der Grund für eine Absage gewesen sein: „Sicher Leben in der Siemensstadt. Was sagt die Polizei: Wie sicher lebt es sich in der Siemensstadt? Wie kann sich der Einzelne schützen?“

Stadtteiltag Buchholz 07-2015 no11 smallGlücklicherweise konnte Buchholz kurzfristig den Spandauer Bezirksverordneten Jochen Anders für den Abend gewinnen. Er ist Polizeibeamter, informierte an diesem Abend jedoch „privat“ aus allgemein zugänglichen Quellen. Gemeinsam mit Bezirksstadtrat Stephan Machulik (SPD) konnte er die anwesenden Bürgerinnen und Bürger umfassend informieren und sämtliche Fragen zur Zufriedenheit beantworten.

Pikantes Detail: Der Senat teilte in seiner Antwort auch mit, dass bei den CDU-Veranstaltungen jeweils zwischen 10 und 25 Personen anwesend waren. Bei der Veranstaltung von Daniel Buchholz war das Bürgerbüro in der Siemensstadt voll besetzt mit 32 Gästen.

Sie finden hier einen Presseartikel der „BZ“ zum Vorfall und die vollständige Schriftliche Anfrage mit den Antworten des Senats:

 

Polizei bevorzugt CDU Artikel 09-2015

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Schriftliche Anfrage

des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD)

vom 28. August 2015 und Antwort:

Die Polizei – Dein Freund und (Wahl-)Helfer?
Warum bevorzugt eine Berliner Polizeidirektion Parteiveranstaltungen der CDU?

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

1. Welche Grundsätze gelten für die Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Polizei zur Information der Bürgerinnen und Bürger sowie für die Prävention?

Zu 1.: Die Polizei Berlin versteht sich als moderne, bürgernahe und serviceorientierte Sicherheitsbehörde. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist daher darauf ausgerichtet, die Bürgerinnen und Bürger in gleicher Weise wie die Medien aktiv und umfassend zu informieren, um die Arbeit der Polizei transparent zu machen, Akzeptanz für das polizeiliche Wirken zu schaffen und Vertrauen in die professionellen Fähigkeiten der Polizei zu stärken. Ferner soll dadurch dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Gleiches gilt für Präventionsmaßnahmen der Polizei Berlin, die zudem lageangepasst durchgeführt werden.

2. Nach welchen Kriterien entscheidet die Berliner Polizei, ob sie an öffentlichen Veranstaltungen von lokalen Bündnissen, Verbänden, Vereinen, Einrichtungen, Parteien oder Wahlkreisabgeordneten teilnimmt?

Zu 2.: Die Entscheidung über eine Beteiligung der Polizei Berlin an Veranstaltungen Dritter orientiert sich maßgeblich an der Frage, ob hierdurch die gesetzliche Aufgabenwahrnehmung der Polizei unterstützt und gefördert werden kann. Faktoren können hierbei die Erreichbarkeit von Zielgruppen polizeilicher Präventionsarbeit oder auch die Unterstützung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses zur objektiven und subjektiven Sicherheitssituation in Berlin sein. Hierbei gelten die Grundsätze der Neutralität und der Gleichbehandlung aller anfragenden Institutionen. Bei Veranstaltungen mit ausschließlich gewinnorientiertem Charakter sowie von Organisationen, deren Prinzipien sich nicht an der freiheitlich–demokratischen Grundordnung orientieren, verbietet sich eine Teilnahme. Vor dem Hintergrund der vielfältigen täglichen Aufgabenbewältigung stehen sämtliche Veranstaltungsbeteiligungen ferner unter dem Vorbehalt verfügbarer Ressourcen.

3. Gibt es bestimmte Ausschlusszeiten (z.B. Wahlkampf), die für solche Teilnahmen gelten? Welche Karenzzeiten sind aus Sicht des Senats angemessen?

Zu 3.: Für einen bestimmten Zeitraum unmittelbar vor Wahlen oder Abstimmungen werden alle Parteien, Fraktionen sowie fraktionslose Mitglieder des Abgeordnetenhauses gebeten (zuletzt mit Schreiben des Innensenators vom 09.05.2014), auf Anfragen wegen der Entsendung von Dienststellenvertreterinnen und Dienststellenvertretern insbesondere der Polizei und der Feuerwehr zu parteipolitischen Veranstaltungen zu verzichten. Der Zeitraum beträgt in der Regel sechs Wochen.

Derartige Entsendungen können – vor allem in Wahlkampfzeiten – zumindest nach außen den Eindruck eines bestimmten Verhältnisses zwischen der jeweiligen Partei und der Verwaltung erwecken. Vor dem Hintergrund der Neutralitätspflicht ist es geboten, schon den Anschein der Unterstützung bestimmter Parteien zu vermeiden.

Besuche und Besichtigungen bei Dienststellen bleiben in dieser Zeit, wie generell üblich, ohne Pressebeteiligung weiterhin möglich.

4. Haben Institutionen der Polizei wie z.B. das LKA oder einzelne Polizeidirektionen eigene Kriterien festgelegt, nach denen sie über die Teilnahme an solchen Veranstaltungen entscheiden? Ist dabei aus Sicht des Senats eine einheitliche und politisch neutrale Behandlung in ganz Berlin gewährleistet?

Zu 4.: Im Rahmen der Gefahrenabwehr gehört es zum originären Aufgabengebiet der Polizei, aufklärend und präventiv tätig zu werden. Die Polizei kann an solchen Veranstaltungen teilnehmen, eine gesetzliche Verpflichtung bzw. ein gesetzliches Gebot besteht nicht. Für die Polizei Berlin besteht daher ein Ermessensspielraum. Die Bindung an den Gleichheitsgrundsatz erfordert jedoch, gleiche Fälle auch gleich zu behandeln. Unterschiede können sich lediglich aus sachlichen Gründen ergeben. Ein Grund kann beispielsweise sein, dass in einer Direktion andere Phänomene aufgetreten sind als in anderen Bereichen. Zielgruppenorientierte Präventionsveranstaltungen zu Phänomenen durchzuführen, die speziell in dieser Direktion auftreten, erscheint daher wesentlich erfolgversprechender zu sein als eine stadtweite Aktion. Die Bindung der Polizei Berlin an den Gleichheitsgrundsatz gewährleistet eine einheitliche und politisch neutrale Behandlung in ganz Berlin.

5. An welchen Veranstaltungen von politischen Parteien oder Abgeordneten haben Mitarbeiter der Berliner Polizeidirektion 2 (zuständig für Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf) in den Jahren seit 2012 jeweils teilgenommen (bitte die Veranstaltungen einzeln mit Titel, Veranstalter, Termin, Anzahl der Mitarbeiter der Polizeidirektion 2 sowie ggf. Anzahl weiter Polizeivertreter getrennt für jedes Jahr angeben)?

Zu 5.: Da die Polizeidirektion 2 derartige Veranstaltungen statistisch nicht erfasst, kann die Frage nicht beantwortet werden. Beschwerden über eine Ungleichbehandlung oder Ablehnung von Anfragen sind dort bisher nicht bekannt geworden.

Unter dem Vorbehalt verfügbarer personeller Ressourcen werden Anfragen aller politischen Parteien gleichermaßen geprüft und beschieden.

6. Ist dem Senat insbesondere die Veranstaltungsreihe der Spandauer CDU-Abgeordneten M. Brauner, H. Melzer und P. Trapp vom Juni/Juli 2014 bekannt, bei der an insgesamt vier Terminen in deren gemeinsamen Bürgerbüro diverse Polizeibeamte der Polizeidirektion 2 teilgenommen haben, am Abend des 25.6.14 sogar drei Polizeihauptkommissare auf einmal (sämtliche Angaben laut Veröffentlichungen der CDU)?

Zu 6.: Ja. Die Veranstaltungsreihe umfasste drei Termine zu den Themen Sicherheit und Einbruchsprävention.

Am 25. Juni 2014 haben der Leiter des Abschnitts 23 sowie weitere drei Beamte an dieser Veranstaltung teilgenommen. Am 8.Juli 2014 war ein Mitarbeiter des Abschnitts 23 anwesend.

Im Rahmen dieser kriminalpräventiv relevanten Themen hat die Polizei in beiden Veranstaltungen zur erhöhten Aufmerksamkeit im Nachbarschaftsumfeld sowie zur verstärkten Nutzung von Angeboten der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle aufgerufen. Des Weiteren wurden Informationsmaterial zum Thema Einbruchsschutz ausgehändigt und allgemeine Fragen beantwortet. Bei den jeweiligen Veranstaltungen waren zwischen 10 und 25 Personen anwesend, parteipolitische Beiträge fanden dabei nicht statt.

Darüber hinaus fand am 15. Juli 2014 eine vierte Veranstaltung statt, die das Thema „Wilhelmstadt – Sicher in die Ferien“ beinhaltete. Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Abschnitts 23 waren auch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter aus dem Bereich der polizeilichen Kriminalprävention vertreten.

7. Wie bewertet der Senat eine solche Veranstaltungsreihe und sieht er bei einer derartig massiven Unterstützung von Veranstaltungen einer einzelnen Partei die Gefahr einer unerlaubten Wahl-Hilfe?

Zu 7.: Im Rahmen der polizeilichen Beratungs- und Präventionsarbeit beteiligen sich zahlreiche Dienststellen der Polizei Berlin wiederkehrend in originärer Aufgabenwahrnehmung an Veranstaltungen Dritter. Hierbei wird die Polizei Berlin weder organisierend tätig noch erfolgt eine finanzielle Unterstützung Dritter. Die Entscheidung zur Teilnahme an dieser Veranstaltung unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen und dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Hierdurch kann die Gefahr einer unerlaubten Wahlhilfe ausgeschlossen werden.

8. Wie erklärt sich der Senat, dass meine Anfrage vom 26. Mai 2015 zur Teilnahme eines Vertreters der Polizeidirektion 2 an der Veranstaltung „Sicher Leben in der Siemensstadt. Was sagt die Polizei: Wie sicher lebt es sich in der Siemensstadt? Wie kann sich der Einzelne schützen?“ in meinem Wahlkreisbüro am 9. Juli 2015

  • zunächst über Wochen gar nicht bzw. nur hinhaltend beantwortet wurde,
  • dann ohne Begründung eine Teilnahme abgelehnt wurde,
  • auf meine Nachfrage hin erneut wochenlang „geprüft“ wurde,
  • dann ein zweites Mal mit warmen Worten aber ohne Begründung eine Teilnahme abgelehnt wurde,
  • mir bei einer telefonischen Nachfrage nur kurz das Stichwort „Wahlkampf“ als Absagegrund genannt wurde,
  • ich bis heute trotz mehrmaliger Nachfragen keine schriftliche Begründung für die Absage erhalten habe,
  • eine Woche nach meiner Veranstaltung am 15. Juli 2015 eine vergleichbare Veranstaltung des Spandauer CDU-Abgeordneten M. Brauner mit dem Titel „Wilhelmstadt – sicher in die Ferien. Informationsveranstaltung zum Thema Sicherheit und Einbruchprävention“ stattgefunden hat, an der erstaunlicherweise ein Mitarbeiter der Polizeidirektion 2 und ein Kriminalhauptkommissar des LKA teilgenommen haben?

9. Sieht der Senat wie ich die politische Neutralitätspflicht der Berliner Polizei verletzt, wenn durch eine Berliner Polizeidirektion eindeutig politische Veranstaltungen der CDU bevorzugt werden?

10. Was wird der Senat unternehmen, um solche Ungleichbehandlungen zukünftig zu verhindern?

Berliner Baer Logo 1Zu 8. bis 10.: Die in Rede stehende fallbezogene Entscheidung des Verantwortungsträgers stellt einen bedauerlichen Einzelfall dar, der durch ein identifiziertes Kommunikationsdefizit dazu führte, dass der Leitlinie der Behörde zum einheitlichen Umgang mit derartigen Anfragen (Ausnahme siehe Antwort zu Frage 2) nicht entsprochen wurde. Dies wird polizeiintern nachbereitet, um für künftige Fälle eine einheitliche Verfahrensweise sicherzustellen.

Berlin, den 11. September 2015

In Vertretung
Bernd Krömer
Senatsverwaltung für Inneres und Sport