Bahnverkehr Deutschland-Polen erreicht Tiefpunkt

Ende 2014 wurde mit der Einstellung der Zugverbindung Berlin – Breslau („EC Wawel“) und der Einstellung aller Züge Dresden – Breslau ein Tiefpunkt im deutsch-polnischen Bahnverkehr erreicht.

Die Ursachen sind vielfältig: Streichung von Zuschüssen aus dem polnischen Haushalt, das parallele Busangebot nach Breslau und eine neue Anordnung des Eisenbahnbundesamtes (EBA), die vorsieht, dass polnische Schienenfahrzeuge ohne Einbau der deutschen Zugsicherungstechnik den Bahnhof Görlitz nicht mehr anfahren dürfen. Deshalb sind sogar Umsteigeverbindungen über Görlitz unmöglich.

Die Verschlechterungen haben dazu geführt, dass deutsche und polnische Parlamentarier der Oder-Partnerschaft parteiübergreifend enger zusammenarbeiten. So hatte der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses, Daniel Buchholz (SPD), zusammen mit dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Europaparlaments, Michael Cramer (Grüne) und der IHK Cottbus die letzte Fahrt des EC Wawel am 13.12.2014 zu einer medienwirksamen „Beerdigungsfahrt“ umfunktioniert.

Letzter Zug Wawel 4Unter den 80 Teilnehmern waren auch die Brandenburgische Verkehrsministerin Katrin Schneider sowie polnische Bürgermeister und Politiker von Żary bis Opole. Die Teilnehmer wurden im Breslauer Hauptbahnhof von einer Delegation der Universität Breslau unter Leitung von Frau Prof. Dr. Ewa Matkowska empfangen, die 847 gesammelte Protest-Unterschriften übergab.

Eine Arbeitsgruppe „Berlin-Breslau“ des Rundes Tisch Verkehr der Oder-Partnerschaft prüft derzeit zusammen mit der Bahn Lösungsmöglichkeiten, um zu Events der Europäischen Kulturhauptstadt Breslau 2016 durchgehende „Kulturzüge“ Berlin – Breslau mit Halt in Cottbus an Wochenenden anzubieten. Fahrzeiten von viereinviertel bis viereinhalb Stunden, also schneller als der Eurocity Wawel, sind möglich. „Kulturzug“ bedeutet, dass Reisende schon während der Fahrt Informationen über das Kulturangebot, ÖPNV-Tageskarten und Stadtpläne erhalten.

Verbesserungen zum Fahrplanwechsel Dezember 2015

Es sind aber noch Fragen der Finanzierung durch die Länder zu klären. Die Deutsche und Polnische Bahn wollen Fernzüge erst dann wieder anbieten, wenn die Strecke Berlin-Breslau durchgehend elektrifiziert ist, was voraussichtlich 2018 gelingt. Inzwischen hat sich auch der Polen-Koordinator der Bundesregierung, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, der Zugverbindung Berlin – Breslau zum Jahr der Kulturhauptstadt angenommen.

Eine erste Verbesserung zwischen Deutschland und Polen ist zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 zwischen Berlin und Stettin gesichert: Statt zwei gibt es dann täglich drei Verbindungen Berlin – Stettin ohne Umsteigen in Angermünde, was durch die Länder Berlin und Brandenburg finanziert wird. Zur Verkehrsspitze am Freitag wird sogar ein viertes durchgehendes Zugpaar verkehren.

(Beitrag von Dr. Jürgen Murach)

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Vom 1. September 2015 an ist auch die tägliche, grenzüberschreitende Regionalzugverbindung von Frankfurt (Oder) nach Poznan Geschichte. Wie das polnische Verkehrsunternehmen „Przewozy Regionalne“ in einer Pressemitteilung bekannt gab, werde man sich auf die regionalen Zugverbindungen innerhalb Polens beschränken, nachdem das Polnische Transportministerium entschieden habe, die grenzüberschreitenden Zugangebote nicht mehr mitzufinanzieren.

Nachdem Anfang März 2015 ebenso überraschend die Zugverbindungen von Görlitz nach Breslau gestrichen wurden, ist (auch wenn es nur um ein Zugpaar handelt) der Trend unübersehbar. Europa wächst auf der Straße zusammen. Bestehende, grenzüberschreitende Bahnverbindungen werden zur Seltenheit.

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Internationale Verkehrskonferenz in Berlin September 2014

Rede von Daniel Buchholz

„Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Herren Staatssekretäre,
sehr geehrter Herr Botschafter,
sehr geehrter Herr Marschall,
meine Damen, meine Herren,

zunächst möchte ich Ihnen die Grüße von Herrn Verkehrs-Staatssekretär Christian Gaebler übermitteln. Herr Gaebler kann aufgrund einer Dienstreise ins Ausland leider nicht teilnehmen. Das Thema ist ihm trotzdem wichtig und er hat die Idee dieser Veranstaltung ausdrücklich begrüßt.

Zwischen dem Berliner Senat als „Stadtregierung“ und dem Parlament des Landes Berlin (also dem „Abgeordnetenhaus“) gibt es einen partei­über­greifenden Konsens darüber, dass die Kooperation der deutsch-polnischen Grenzregionen wichtig ist. Wir wollen und müssen die Qualität des Bahnangebots und die Erreichbarkeit auf der Schiene dringend verbessern. Herr Gaebler hat mich daher gebeten, ihn zu vertreten und auch Beschlüsse und Initiativen aus dem Abgeordneten­haus vorzustellen.

Die bisherigen Prioritäten der Verkehrspolitik in Deutschland und Polen haben dazu geführt, dass das Verkehrswachstum ausschließlich auf der Straße stattfindet. Der klimafreundliche Verkehrsträger Schiene hat im Personenverkehr nur noch einen marginalen Marktanteil von 2-3%. Diese Entwicklung ist für mich als stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses und als Umweltpolitiker nicht akzeptabel. Wir brauchen eine Korrektur der Verkehrspolitik auf beiden Seiten der Oder.

Bereits im Jahr 2003 hatte Bundesverkehrsminister Stolpe auf einer Feier anlässlich des 160-jährigen Jubiläums der Bahnstrecke Berlin‑Stettin die Schließung der Elektrifizierungslücke und den Ausbau auf 160 km/h versprochen. Nachdem ich im Jahr 2011 erfahren hatte, dass ein bereits im Jahr 2006 zwischen den Ministerien in Warschau und Berlin gemeinsam erarbeiteter Entwurf eines Abkommens zur Beseitigung der Elektrifizierungslücke und zum Ausbau zwischen Berlin und Stettin auf 160 km/h vorliegt, aber in Berlin und Warschau von den politischen Leitungen „auf Eis“ gelegt wurde, habe ich auch Kontakte zu Abgeordneten des Sejmik – des Regionalparlaments von Westpommern und zu Stettiner Abgeordneten im Sejm geknüpft. In einer gemeinsamen medienwirksamen Aktion im Stettiner Hauptbahnhof haben wir 2011 gemeinsam die nationalen Verkehrsminister aufgefordert, endlich den Vertrag zu unterzeichnen. Eine ähnliche kommunikative Aktion in Stettin und Berlin gab es etwas später von Berliner und Stettiner Abgeordneten des Europa-Parlaments. Hier haben wir den günstigen Umstand, dass sowohl der Berliner Europa-Abgeordnete Michael Cramer und der Stettiner Abgeordnete Prof. Liberadzki Mitglied im Verkehrsausschuss des Europa-Parlaments sind.

Nachdem es auch Initiativen der ostdeutschen Ministerpräsidenten gab, wurde dann endlich im Dezember 2012 das Abkommen zu Berlin und Stettin unterzeichnet.

Meine Damen, meine Herren,

die SPD-Fraktion hat im Januar 2013 als Ergebnis einer Klausurtagung in Kolberg in Polen eine Erklärung erarbeitet, in der auch der Handlungsbedarf im Bahnverkehr herausgestellt wurde, damit sich der deutsch-polnische Grenzraum der Oder-Partnerschaft zu einem prosperierenden gemeinsamen Arbeits- und Wirtschaftsraum entwickeln kann. Zu der Tagung hatten wir auch die IHK, den Marschall von Westpommern und polnische Abgeordnete eingeladen. Die dort verabschiedete „Kolberger Erklärung“ haben wird dann in ein Paket von Beschlüssen unseres Parlamentes einfließen lassen. Sie wurden vor etwa einem Jahr einstimmig, also mit den Stimmen der Abgeordneten aus allen 5 Fraktionen, vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen. Sie können mir glauben, solche einstimmigen Beschlüsse gibt es nicht sehr häufig in unserem Parlament.

Es wurde u.a. beschlossen, dass das deutsch-polnische Regierungs­abkommen zu Berlin-Stettin zügig und damit spätestens bis 2020 umgesetzt und mit Leben erfüllt werden soll. Wir erwarten ein dichtes und schnelles Bahnangebot im Taktfahrplan und mit attraktiven Tarifangeboten, ohne Umsteigen in Angermünde und mit guten und sicheren Anschlussverbindungen zum neuen Flughafenbahnhof BER. Damit der Staatsvertrag auch wirklich umgesetzt wird, ist es aus meiner politischen Erfahrung wichtig, dass die Umsetzung sowohl von den Parlamenten als auch von den Länderregierungen ständig begleitet bzw. kontrolliert wird.

Letzter Zug Wawel 3Die größten Probleme gibt es im Bahnverkehr zwischen Berlin und Breslau. Am 14. Dezember 2014 werden wir in der Entwicklung des Bahnangebots einen traurigen historischen Tiefststand erreichen: Dann fährt der „EuroCity Wawel“ zum letzten Mal, die Fernzugverbindung Berlin‑Breslau wird eingestellt. Traurig, aber wahr.

Dabei hat es hier schon erste Erfolge bei der Modernisierung der Schieneninfrastruktur gegeben. Berlin und Brandenburg konnten  Bundesverkehrsminister Tiefensee im Jahr 2006 überzeugen, den Ausbau der Bahnstrecke Berlin-Cottbus auf 160 km/h in das Konjunkturprogramm aufzunehmen. Herr Minister Vogelsänger hatte sich hier schon in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter verdienstvoll engagiert. Auch die polnische Seite hat den Ausbau der Strecke Oppeln–Breslau–Horka/Görlitz auf 160 km/h zügig umgesetzt und der Abschluss dieser Maßnahme ist bald erreicht. Die Fahrzeit des EuroCitys konnte von 6 auf 4 ¾ Stunden reduziert werden.

Aber dann mussten wir erfahren, dass die Deutsche Bahn parallel eigene Busverbindungen über die Autobahn anbietet. Es kam wie nicht anders zu erwarten: Durch den „Kannibalisierungseffekt“ hat sich die Wirtschaftlichkeit des Zuges dramatisch verschlechtert und im Dezember wird er eingestellt.

Schuldzuweisungen haben aber keinen Zweck. Wir müssen nach vorne schauen. Es kommt darauf an, dass sich alle Akteure des Bahnverkehrs – die Unternehmen des Eisenbahnfernverkehrs, die nationalen Verkehrs­ministerien, die Regionen, die Akteure des Tourismus und auch des zukünftigen Flughafens BER – zusammensetzen. Das Ziel ist klar: Sobald es Fortschritte beim technischen Ausbau der Verbindung zwischen Berlin und Breslau gibt, muss wieder ein Zugangebot eingerichtet werden.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat hierzu beschlossen, dass sich der Senat als eine Zwischenlösung für die Führung der Fernzüge über den Flughafenbahnhof BER, Cottbus und Horka einzusetzen soll, wenn die Elektrifizierungslücke geschlossen ist. Nach meinen Informationen wird dies 2017 möglich sein und die Fahrzeit könnte dann auf 3 ½ Stunden reduziert werden. Es sind später sicher auch andere und schnellere Lösungen denkbar. Fernzüge sollten immer dort fahren, wo es am schnellsten geht und die Fahrzeiten nach Breslau müssen gegenüber dem heutigen Bus erheblich schneller sein, das macht sie konkurrenzfähig zur Straße.

Übrigens werden an der „Abschiedsfahrt“ des letzten Eurocity Wawel nach Breslau am Sonnabend, dem 13. Dezember 2013 (er startet um 9:41 Uhr  im Berliner Hauptbahnhof, Gleis 1) auch deutsche und polnische Abgeordnete teilnehmen, um die Eisenbahnunternehmen und die nationalen Verkehrsministerien aufzufordern, ihre Zusammenarbeit und Kommunikation durch Teilnahme am Runden Tisch Verkehr zu verbessern und gemeinsam konstruktive Lösungen für eine Revitalisierung zu erarbeiten.

Die PKP Intercity hat übrigens von den Bus-Plänen der Deutschen Bahn nicht von der DB, sondern vom Berliner Senat erfahren. Und auch der hat es nur zufällig mitbekommen, weil bei einem örtlichen Bezirksamt der Bushaltestellen-Antrag für die Breslauer DB-Busse einging und ein aufmerksamer Mitarbeiter den Senat informierte. Seit die Busse parallel zum Bahnangebot verkehren, halbierten sich die Fahrgastzahlen nach Breslau auf der Schiene. Das polnische Verkehrsministerium hat als Konsequenz dann die Zuschüsse für den EuroCity gestrichen. Unabhängig von den Argumenten beider Seiten werden mir wohl die meisten Teilnehmer zustimmen, dass die Kommunikation und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden staatlichen Eisenbahnunternehmen stark verbesserungsfähig ist.

Meine Damen, meine Herren,

das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich in seinen Beschlüssen auch einstimmig für ein deutsch-polnisches Bahnprojekt eingesetzt, dass für mich als Umweltpolitiker ebenfalls sehr wichtig ist. Es ist der Wiederaufbau der Karniner Brücke und der unterbrochenen Bahnverbindung nach Swinemünde auf Usedom. Diese Maßnahme würde zu einer Halbierung der Fahrzeiten von 4 auf 2 Stunden führen, und die Bahn wäre konkurrenzlos schnell. (Persönliche Erfahrung Urlaubsreise). Da der deutsche und polnische Teile der Insel von Ahlbeck bis Swinemünde sich wieder zur „Badewanne der Berliner“ entwickelt hat, würde die Fahrzeitverkürzung zu einer deutlichen Verlagerung der Verkehre führen und wäre auch ein wichtiges Pilot­projekt für einen klimafreundlichen Tourismus. Swinemünde entwickelt sich darüber hinaus zu einem wichtigen Hafen bzw. Fährhafen im Skandinavien-Verkehr für Berlin und ist für die Wirtschaftsstrategie von unserer Stadt wichtig.

Diese Maßnahme ist zwar im Bundesverkehrswegeplan angemeldet, wird sich aber vermutlich keiner großen Priorität bei unserem süddeutschen Bundesverkehrsminister erfreuen. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Projekt auch als europäisches aus Brüssel unterstützt wird und die Möglichkeiten der EU-Finanzierung genutzt werden. Für dieses Vorhaben benötigen wir ein starkes deutsch-polnisches Netzwerk der Politik. So ist es ein Erfolg, dass die Europa-Abgeordneten Sylvia Yvonne Kaufmann, Michael Cramer und Prof. Liberadzki als Schirmherren bzw. Schirmdame dieses Projekt unterstützen – unabhängig von der „Parteifarbe“. Der Karniner Initiative haben sich auch die IHKen, deutsche und polnische Abgeordnete, Bürgermeister und die Landesregierung aus Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass das Berliner Abgeordnetenhaus auch die bereits eingerichtete „Oder-Partnerschaft“ kraftvoll unterstützt. Die Oder-Partnerschaft wird aber nur dann funktionieren, wenn die Zusammenarbeit der Verwaltungen ergänzt wird durch eine gute Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Parlamentarier auf allen Ebenen, der Wirtschaftskammern und wichtiger Nichtregierungsorganisationen.

Meine Damen, meine Herren, ich wünsche der Arbeit des Runden Tisches Verkehr der Oder-Partnerschaft viel Erfolg.

Mit Initiativen für einen schnellen und komfortablen Bahnverkehr zwischen Deutschland und Polen können wir nicht nur das umweltfreundliche Verkehrsmittel Bahn stärken. Wir können damit erreichen, dass die Menschen in Europa sich näher kommen – für eine gemeinsame Zukunft in Frieden und Freiheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“